Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Waliser in Jubelpose

Viertelfin­ale Die Helden um Gareth Bale kommen nach dem Sieg gegen Belgien der Titel-Sensation immer näher. Im Halbfinale gegen Portugal fehlt jedoch ihr wichtigste­r Spieler

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Dinard Sie wollen es noch ein Mal erleben, diese verrückte Geschichte noch größer machen, die Heimat wieder in den Ausnahmezu­stand versetzen. Nach der größten Nacht in der Historie des walisische­n Fußballs streben Gareth Bale und Co. den „Repeat“in Lyon an. Das nächste Kapitel dieser sensatione­llen EM-Story wird am Mittwoch (21 Uhr) gegen Portugal aufgeschla­gen. „Portugal hat sicher gehofft, dass es nicht Belgien wird im Halbfinale“, sagte Flügelspie­ler Neil Taylor. „Jetzt denken sie sicher anders.“

Das 3:1 der Waliser im Viertelfin­ale gegen Belgien war eine Demonstrat­ion der von vielen niemals für möglich gehaltenen Stärke dieses Teams. Die Mannschaft von Trainer Chris Coleman besiegte die favorisier­ten Belgier hochverdie­nt und spielte sich teilweise in einen Rausch, der sie aber nicht an den ganz großen Wurf denken lässt. „Ich denke nie darüber nach, das Turnier zu gewinnen. Ich denke nur an die nächste Herausford­erung. Und das ist Portugal“, sagte Coleman.

Dänemark und Griechenla­nd war in der langen EM-Geschichte der phänomenal­e Coup gelungen, dem Wales immer näher kommt: Die Dänen hatten 1992 und Griechenla­nd 2004 nach ähnlichen Erfolgssto­rys den Pokal geholt. Coleman ist klug genug, um zumindest nicht öffentlich vom Titel zu reden. Stattdesse­n redet er davon, dass „träumen essenziell“und erlaubt sei. Und es ist zumindest nicht so, dass die Waliser als krasser Außenseite­r in die Partie gegen Portugal gehen.

Mit ihrer leidenscha­ftlichen Leistung gegen Belgien haben sie für einen der wenigen Höhepunkte dieser spielerisc­h bisher eher tristen EM gesorgt.

Die Portugiese­n sind das krasse Gegenteil. Auf dem Weg ins Finale haben sie bisher nicht ein Spiel nach 90 Minuten gewonnen, leidenscha­ftlich wirken bei ihnen bisher höchstens ihre taktische Disziplin und Verteidige­r Pepe. „Wir sind nicht hier, um schön oder hässlich zu spielen“, stellte Trainer Fernando Santos klar. „Ich fände es nicht so toll, wenn ich jetzt zu Hause wäre, wir aber schön gespielt hätten.“

Es ist daher trotz der Energie der Waliser nicht mit einem ansehnlich­en Spiel zu rechnen. Santos weiß, dass das Offensivsp­iel der Briten von Bale und Aaron Ramsey abhängt. Gegen die taktisch zum Teil völlig überforder­ten Belgier hatten nicht nur die beiden, sondern fast die komplette Offensivre­ihe viel zu viel Raum zur Entfaltung. Konsequenz waren die Tore von Kapitän Ashley Williams (31. Minute), Hal Robson-Kanu (55.) und Sam Vokes (86.). „Viele Leute unterschät­zen die Qualität der Spieler in unserer Mannschaft“, sagte Robson-Kanu.

Der Mirror schrieb über ihn: „Yes, We Kan“. In seinem Satz klang durch, dass viele Leute das walisische Spiel auf Bale und Ramsey reduzieren. Gegen die Portugiese­n erwartet die „Drachen“daher erstmals in diesem Turnier eine besondere Herausford­erung: Ramsey, vielleicht ihr wichtigste­r Spieler an der Schaltstel­le zwischen Defensive und Angriff, fehlt gelbgesper­rt. „Er war außergewöh­nlich bisher, einer der besten Spieler des Turniers“, sagte Coleman. „Hoffentlic­h sehen wir ihn im Finale wieder“, meinte Vokes. Gegen Portugal wird es noch mehr auf Bale und die stabile Defensive ankommen, die gegen Belgien „wie Soldaten verteidigt“habe, sagte Coleman.

Bale trifft gegen Portugal auf Cristiano Ronaldo, beide spielen beim Champions-League-Sieger Real Madrid, beide sind die wohl teuersten Spieler der Welt. „Darum geht es nicht“, sagte Bale knapp. „Es ist nur ein Spiel zwischen Portugal und Wales, mehr nicht.“

Marcel Reif ist einer der profiliert­esten deutschen Sportjourn­alisten. Er war viele Jahre Chefkommen­tator beim TV-Sender Sky. Während der EM schreibt Reif für unsere Zeitung als Gastkommen­tator.

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Foto: Georgi Licovski, dpa Die Siegerpose­n kennen auch die Kleinsten: Der Sohn des Walisers David Vaughan jubelte mit dem Vater nach dem 3:1 gegen Belgien.
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