Augsburger Allgemeine (Land West)
Er war mehr als ein Virtuose
Geigen-Legende Joseph Joachim imponiert mit musikalischer Sprache
Der Musikfreund verbindet den Namen Joseph Joachim vor allem mit Johannes Brahms. Die Entstehung seines Violinkonzerts ist eng verbunden mit dem legendären Geiger. Dieser Künstler war aber mehr als einer der spektakulären Virtuosen des 19. Jahrhunderts. Er spielte nicht nur die Werke anderer, sondern hinterließ ein OEuvre mit Kammer- und Orchestermusik. Mit dem Komponisten Joachim befasste sich im Festsaal der Synagoge der Geiger Jochen Brusch in seiner Reihe „Jüdische Violinisten“.
Brusch verband den Vortrag einiger Werke mit wichtigen Stationen seiner Biografie. 1831 geboren im heutigen Burgenland fiel jedem die Wunderkind-Begabung auf. Eine Reihe der Größten erkannte sein Genie. Sie waren Förderer seiner Entwicklung, darunter Mendelssohn, Liszt, Schumann. Bis zu seinem Tod 1907 hatte er bedeutende Stellungen als Pädagoge und Konzertmeister in den wichtigsten deutschen Kulturzentren inne: Leipzig, Weimar, Hannover, Berlin.
Was ihn von Virtuosen, die mit technischem Feuerwerk durch Salons zogen, unterschied, war – so Brusch – das Bekenntnis zu alten Meistern und deren Wiederaufführung wie Beethoven, Mozart, Bach. Brusch: „Er war ein Purist, dem es auf den tiefsten Inhalt der Musik ankam, ein Verächter des damaligen schlechten Konzertgeschmacks, der sich an schillernden Arrangements von Opern-Potpourris und technischen Kunststückchen ergötzte.“
Brusch vermutet, dass Joachims Violinstil eher trocken, exakt, herb, also uneitel gewesen sein muss, dass er sein Können in den Dienst der Meister stellte. Privat war Joachim – krankhaft eifersüchtig als Ehemann – nicht vom Glück verfolgt. Und in seiner Geiger-Karriere hatte er oft nicht überzeugende Auftritte. Brusch: „Möglicherweise übte er schlicht zu wenig.“
Doch in den Stücken, die Brusch, am Klavier begleitet von Alexander Reitenbach, vortrug, imponiert die Eigenständigkeit und Schönheit seiner musikalischen Sprache. So verbindet sich in den „Hebräischen Weisen“op. 9 die Aura schlichter Synagogen-Gesänge mit dem Ton farbiger deutscher Romantik. Hier erinnert er an Max Bruch, mit dem es Phasen der Zusammenarbeit gab. Höhepunkt waren zwei Sätze aus seinem großen Violinkonzert „in ungarischer Weise“. Dort erfindet er einen individuellen Volkston, der sich entwickelt und eingeflochten ist in einen brillanten, dramaturgisch spannenden Kult des Geigenspiels. Brusch spielte die Rarität mit glanzvoller Exaktheit. Er gibt einen CD-Tipp: Rachel Barton Pine und das Chicago Symphony Orchestra unter Carlos Kleiber mit dem Brahms-Konzert.