Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Mensch muss im Auto Herr über die Technik bleiben
Leitartikel Innovationen machen unser Leben einfacher. Doch Fahrer, die sich blind auf Maschinen verlassen, gehen ein Risiko ein. Die Lehren aus dem tödlichen Tesla-Fall
Schon heute parken Autos wie von Geisterhand solide ein und halten auf Autobahnen automatisch einen Sicherheitsabstand zum Vordermann. Die Fahrzeughersteller malen uns diese schöne neue Welt, in der Menschen irgendwann sogar in Wagen ganz ohne Lenkrad sitzen, vorschnell und zu euphorisch als Krönung automobilen Fortschritts aus.
Während deutsche Hersteller wie BMW zum Glück den soliden Weg des Prinzips „Sicherheit vor Schnelligkeit“fahren, prescht der USElektrowagen-Hersteller Tesla vor. Man mag das Unternehmen als Pionier für stromgetriebene und auch noch schöne Autos bewundern, technisch zeigt der Konzern immer wieder erschreckende Aussetzer. Denn die Marke Tesla steht für den ersten tödlichen Unfall mit einem vom Computer gesteuerten Auto. Ein Elektroflitzer raste unter einen querenden Lkw-Anhänger, den er für ein hochhängendes Straßenschild hielt. Das kostete dem Fahrer das Leben. Der Fall zeigt: Noch ist die Technik nicht so weit, wie Hersteller das gerne möchten. Dabei sind Zweifel angebracht, ob es überhaupt erstrebenswert ist, dass Autofahrer die volle Kontrolle abgeben und nicht einmal mehr eingreifen können, wenn die Technik (was vorkommt) versagt.
Kaum auszudenken, was passiert, wenn ein fahrerloser Lkw auf einer Autobahn einen Massenunfall mit dutzenden Toten verursacht. Das würde die Technik generell infrage stellen. Und das, obwohl der Mensch in seiner Irrationalität sicher viel mehr tödliche Unfälle verursacht als rational programmierte autonome Fahrzeuge. Denn solche Wagen reagieren anders als manche Fahrer nicht hormongesteuert. Sie trinken auch keinen Alkohol, ehe sie losdüsen.
Vieles spricht deshalb für ein hoch automatisiertes Fahren. Der Wagen gleitet also überwiegend selbstständig über die Autobahn. Der Krieg auf den Fernstraßen würde in friedlichere Bahnen gelenkt. Computergesteuerte Autos halten mehr Abstand als Menschen, die permanent beschleunigen, überholen, abbremsen und dadurch Staus verursachen. Kombiniert mit einem Tempolimit von 130 würde der Verkehr sicher ruhiger fließen.
Die Fahrzeuginsassen sparen Stress und Zeit, wenn sie bereit sind, auf individuellen Fahrspaß zugunsten einer geordneten Mobilität zu verzichten. Der Fahrer bleibt jedoch auch bei dieser Vision mit Augenmaß gefordert. Notfalls kann er eingreifen, wenn die Technik wie im Fall Tesla versagt. Es gibt ein Lenkrad, eine Bremse und ein Gaspedal. Der Mensch bleibt autonom und ist nicht wie ein Sklave einer Maschine ausgeliefert.
Was Tesla betrifft, hätte der Fahrer nach bisherigen Erkenntnissen den Unfall vermeiden können, wenn er aktiv geworden wäre. Das Beispiel sollte also Mahnung für Autofahrer sein, sich nicht blind auf Computer zu verlassen. Das gilt selbst für Navigationssysteme. Wer mehrere durchgetestet hat, weiß: Die Helfer haben alle Macken. Manch wortgetreu ausgeführter Befehl kann in einem Feld oder einem Graben enden.
Am besten ist das Modell des die Technik kontrollierenden Verstandes. Die Strategie hat aus Sicht des Ulmer Hirnforschers Manfred Spitzer einen tollen Nebeneffekt: Das Gehirn verkümmert durch die Navi-Kontrollübung nicht, wie er in seinem aufrüttelnden Buch „Digitale Demenz“schreibt. Folgt man dem Wissenschaftler, ist es am besten, mal länger ohne Navi zu fahren. Denn Spitzer schreibt, dass so die für die Orientierung notwendigen Areale im Gehirn wachsen. Das zeigten Studien von Londoner Taxifahrern, denen bei der Prüfung enorme Ortskenntnisse abverlangt werden. Überspitzt gesagt: Wer Maschinen zu viel überlässt, kann dabei langsam verkümmern.
Wer Maschinen zu viel überlässt, verkümmert dabei