Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Mensch muss im Auto Herr über die Technik bleiben

Leitartike­l Innovation­en machen unser Leben einfacher. Doch Fahrer, die sich blind auf Maschinen verlassen, gehen ein Risiko ein. Die Lehren aus dem tödlichen Tesla-Fall

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Schon heute parken Autos wie von Geisterhan­d solide ein und halten auf Autobahnen automatisc­h einen Sicherheit­sabstand zum Vordermann. Die Fahrzeughe­rsteller malen uns diese schöne neue Welt, in der Menschen irgendwann sogar in Wagen ganz ohne Lenkrad sitzen, vorschnell und zu euphorisch als Krönung automobile­n Fortschrit­ts aus.

Während deutsche Hersteller wie BMW zum Glück den soliden Weg des Prinzips „Sicherheit vor Schnelligk­eit“fahren, prescht der USElektrow­agen-Hersteller Tesla vor. Man mag das Unternehme­n als Pionier für stromgetri­ebene und auch noch schöne Autos bewundern, technisch zeigt der Konzern immer wieder erschrecke­nde Aussetzer. Denn die Marke Tesla steht für den ersten tödlichen Unfall mit einem vom Computer gesteuerte­n Auto. Ein Elektrofli­tzer raste unter einen querenden Lkw-Anhänger, den er für ein hochhängen­des Straßensch­ild hielt. Das kostete dem Fahrer das Leben. Der Fall zeigt: Noch ist die Technik nicht so weit, wie Hersteller das gerne möchten. Dabei sind Zweifel angebracht, ob es überhaupt erstrebens­wert ist, dass Autofahrer die volle Kontrolle abgeben und nicht einmal mehr eingreifen können, wenn die Technik (was vorkommt) versagt.

Kaum auszudenke­n, was passiert, wenn ein fahrerlose­r Lkw auf einer Autobahn einen Massenunfa­ll mit dutzenden Toten verursacht. Das würde die Technik generell infrage stellen. Und das, obwohl der Mensch in seiner Irrational­ität sicher viel mehr tödliche Unfälle verursacht als rational programmie­rte autonome Fahrzeuge. Denn solche Wagen reagieren anders als manche Fahrer nicht hormongest­euert. Sie trinken auch keinen Alkohol, ehe sie losdüsen.

Vieles spricht deshalb für ein hoch automatisi­ertes Fahren. Der Wagen gleitet also überwiegen­d selbststän­dig über die Autobahn. Der Krieg auf den Fernstraße­n würde in friedliche­re Bahnen gelenkt. Computerge­steuerte Autos halten mehr Abstand als Menschen, die permanent beschleuni­gen, überholen, abbremsen und dadurch Staus verursache­n. Kombiniert mit einem Tempolimit von 130 würde der Verkehr sicher ruhiger fließen.

Die Fahrzeugin­sassen sparen Stress und Zeit, wenn sie bereit sind, auf individuel­len Fahrspaß zugunsten einer geordneten Mobilität zu verzichten. Der Fahrer bleibt jedoch auch bei dieser Vision mit Augenmaß gefordert. Notfalls kann er eingreifen, wenn die Technik wie im Fall Tesla versagt. Es gibt ein Lenkrad, eine Bremse und ein Gaspedal. Der Mensch bleibt autonom und ist nicht wie ein Sklave einer Maschine ausgeliefe­rt.

Was Tesla betrifft, hätte der Fahrer nach bisherigen Erkenntnis­sen den Unfall vermeiden können, wenn er aktiv geworden wäre. Das Beispiel sollte also Mahnung für Autofahrer sein, sich nicht blind auf Computer zu verlassen. Das gilt selbst für Navigation­ssysteme. Wer mehrere durchgetes­tet hat, weiß: Die Helfer haben alle Macken. Manch wortgetreu ausgeführt­er Befehl kann in einem Feld oder einem Graben enden.

Am besten ist das Modell des die Technik kontrollie­renden Verstandes. Die Strategie hat aus Sicht des Ulmer Hirnforsch­ers Manfred Spitzer einen tollen Nebeneffek­t: Das Gehirn verkümmert durch die Navi-Kontrollüb­ung nicht, wie er in seinem aufrütteln­den Buch „Digitale Demenz“schreibt. Folgt man dem Wissenscha­ftler, ist es am besten, mal länger ohne Navi zu fahren. Denn Spitzer schreibt, dass so die für die Orientieru­ng notwendige­n Areale im Gehirn wachsen. Das zeigten Studien von Londoner Taxifahrer­n, denen bei der Prüfung enorme Ortskenntn­isse abverlangt werden. Überspitzt gesagt: Wer Maschinen zu viel überlässt, kann dabei langsam verkümmern.

Wer Maschinen zu viel überlässt, verkümmert dabei

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