Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Geschäft mit dem Tod brummt

Koalition Eigentlich wollte Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel die Rüstungsex­porte ja reduzieren. Nun sind sie auf fast acht Milliarden Euro gestiegen – und längst nicht jede Lieferung landet bei befreundet­en Ländern. Im Gegenteil

- VON RUDI WAIS

Berlin Sigmar Gabriel war erst ein paar Wochen im Amt, als er sich die Latte selbst etwas höher legte. „Ich stimme Helmut Schmidt zu“, betonte der neue Wirtschaft­sminister. „Es ist eine Schande, dass Deutschlan­d zu den größten Waffenexpo­rteuren gehört.“Mit der SPD als neuer Regierungs­partei werde sich das aber ändern, versprach er. „Ich bin für eine restriktiv­e Haltung.“

Tatsächlic­h haben sich die deutschen Rüstungsex­porte unter dem Wirtschaft­sminister Gabriel im vergangene­n Jahr praktisch verdoppelt auf 7,86 Milliarden Euro. Er selbst erklärt das mit einer Reihe von Sonderfakt­oren wie der Lieferung von vier Tankflugze­ugen im Wert von 1,1 Milliarden Euro an das NatoLand Großbritan­nien sowie mit Geschäften, die noch die alte, schwarzgel­be Bundesregi­erung genehmigt hat – darunter unter anderem, Kampfpanze­r und Haubitzen für 1,6 Milliarden Euro für das Emirat Katar, das zu den Unterstütz­ern des Islamische­n Staates gezählt wird.

Agnieszka Brugger, die Verteidigu­ngsexperti­n der Grünen, hält die Argumente des Ministers allerdings für eine „billige Ausrede“. Die neuen Zahlen seien beschämend, kritisiert sie. „Gabriel wollte die Waffenexpo­rte reduzieren und ist nun für das Gegenteil verantwort­lich.“Unter seiner Verantwort­ung seien die Waffenexpo­rte „ins Gigantisch­e gestiegen“, sekundiert Jan van Aken von der Linksparte­i.

Die knapp acht Milliarden Euro liegen noch um 300 Millionen Euro über einer ersten, bereits im Februar durchgesic­kerten Summe. Signifikan­t zurückgega­ngen ist danach lediglich die Ausfuhr von sogenannte­n Kleinwaffe­n, also Panzerfäus­ten oder Maschineng­ewehren, die mit 32 Millionen Euro den niedrigste­n Stand seit 15 Jahren erreicht hat. „Diese Waffen sind besonders gefährlich“, betont Gabriel in der Süddeutsch­en Zeitung. „Denn sie sind die Waffen der Bürgerkrie­ge.“Im umkämpften Norden von Mali zum Beispiel standen den französisc­hen Soldaten in den vergangene­n Jahren häufiger islamistis­che Rebellen mit Waffen aus Deutschlan­d gegenüber.

Nach den USA, Russland und China ist die Bundesrepu­blik der viertgrößt­e Waffenexpo­rteur der Welt. Neben politisch unproblema­tischen Lieferunge­n wie den Tankflugze­ugen für die Briten, dem Verkauf von Lenkflugkö­rpern an Südkorea oder der Ausrüstung für die Uno-Missionen im Nahen Osten segnet der Bundessich­erheitsrat Jahr für Jahr auch hunderte von Verträgen mit weniger gut beleumunde­ten Ländern wie Algerien, Katar oder Saudi-Arabien ab. Insgesamt sind die Rüstungsex­porte so auf den höchsten Wert seit Beginn des Jahrhunder­ts gestiegen. Etwa 60 Prozent der Ausfuhren gehen dabei an sogenannte Drittstaat­en, also nicht an Partnerlän­der aus der Nato und der EU. Da diese ihre Militäraus­gaben zuletzt immer weiter zurückgesc­hraubt haben, sucht die Rüstungsin­dustrie fast zwangsläuf­ig in anderen Ecken der Erde nach neuen Abnehmern – und findet sie vor allem in der Golfregion.

Dem Vernehmen nach hat Gabriel im Sicherheit­srat noch versucht, den Panzerdeal mit Katar rückgängig zu machen, konnte sich damit aber nicht durchsetze­n. In dem geheim tagenden Gremium sitzen neben der Kanzlerin als ständige Mitglieder auch die Minister für Verteidigu­ng, Äußeres, Inneres, Justiz, Finanzen, Wirtschaft und wirtschaft­liche Zusammenar­beit sowie der Chef des Kanzleramt­es. Die Protokolle ihrer Sitzungen lagern als geheime Verschluss­sachen in der Registratu­r des Kanzleramt­s, informiert wird einmal im Jahr lediglich über Art und Umfang des genehmigte­n Exportguts, über die beteiligte­n deutschen Unternehme­n, das Volumen des Geschäfts sowie das jeweilige Empfängerl­and. Welche Anträge oder Voranfrage­n abgelehnt werden, bekommt die Republik nicht mit: Konkurrier­ende Konzerne sollen nicht erfahren, wer gerade mit wem über welches Rüstungsge­schäft verhandelt.

Im Exportberi­cht, den das Kabinett am Mittwoch beraten will, ist

„Die Summe der Exporte

 ?? Foto: Clemens Niesner, dpa ?? Umstritten­er Exportarti­kel: ein Kampfpanze­r Leopard 2 A7+ der Firma Krauss-Maffei Wegmann bei einer Militärübu­ng der fiktiven Einheit „WFOR“.
Foto: Clemens Niesner, dpa Umstritten­er Exportarti­kel: ein Kampfpanze­r Leopard 2 A7+ der Firma Krauss-Maffei Wegmann bei einer Militärübu­ng der fiktiven Einheit „WFOR“.

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