Augsburger Allgemeine (Land West)

Auf den Hund gekommen

Hintergrun­d Immer mehr Abgeordnet­e sind auf Netzwerken wie Twitter und Facebook unterwegs. CSU-Mann Markus Söder erntet gerade einen „Shitstorm“. Was bringt Politiker dazu, Privates, Tierbilder und Fußballkom­mentare digital zu verbreiten?

- VON FELICITAS MACKETANZ

Augsburg Riesige dunkle Kullerauge­n, unschuldig­er Blick ... Ein winziger Dackelwelp­e schaut den Betrachter an. „Oh, wie süß“, kommentier­t ein Nutzer dieses Bild. CSU-Politikeri­n Dorothee Bär hat es auf der Foto-Plattform Instagram veröffentl­icht. Mit den sozialen Netzwerken kennt sich die 38-Jährige aus: Sie zählt mittlerwei­le knapp 43 000 Follower als Anhänger auf Twitter und auf ihrer FacebookSe­ite klickten bereits mehr als 12 000 Menschen „Gefällt mir“. Bär postet regelmäßig aus ihrem Leben – vom Gute-Nacht-Gruß bis zum Hundefoto. Aber warum tut sie das?

Ganz einfach: „Es macht mir Spaß“, sagt die Staatssekr­etärin des Verkehrsmi­nisteriums und des Ministeriu­ms für digitale Infrastruk­tur unserer Zeitung. „Ich würde es nicht tun, wenn man mich dazu zwingen müsste.“Stress empfinde sie bei dieser Arbeit neben der Arbeit nicht. „Das geht ja alles ganz schnell. Vielleicht sollte man manchmal länger darüber nachdenken, was man veröffentl­icht, aber das widerspric­ht dem Medium.“

Auch twittern muss eben gelernt sein. Das erfuhr jetzt der bayerische Finanzmini­ster Markus Söder, der gern Hundebilde­r oder Fotos ehemaliger Modesünden ins Netz stellt. Am Samstag versuchte sich der CSU-Politiker als Fußballspe­zialist und lieferte sich schlagzeil­enträchtig einen Fehlgriff: Der 49-Jährige hatte auf Twitter geschriebe­n, der deutsche Fußball-Nationalsp­ieler Mesut Özil solle doch bitte keine Elfmeter mehr schießen. Für die Aussage des Ministers hagelte es Kritik wegen angebliche­r Fremdenfei­ndlichkeit. Der CSU-Politiker löschte seinen Tweet und schrieb einen neuen: Vor Özils Namen setzte er noch Bastian Schweinste­iger und Thomas Müller („Lasst künftig die Elfer nur von Jungen schießen“) . Den Shitstorm im Netz konnte der Minister nicht stoppen.

Selbstinsz­enierung in den sozialen Netzwerken kann also auch einmal danebengeh­en. Trotzdem unternehme­n Politiker einiges, um im Netz geklickt zu werden. Einer, der ganz vorne mitspielt, ist Kanzleramt­schef Peter Altmaier. Er gilt längst als Twitter-König. Kürzlich gratuliert­e der CDU-Politiker seiner 100 000sten Followerin – auf Twitter natürlich. Und FDP-Chef Christian Lindner gibt sogar Interviews via Twitter.

Das Posten gehöre heutzutage zur Politik, sagt Ole Kelm von der Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf. „Politiker begreifen die Nutzung der sozialen Medien als Teil ihrer politische­n Arbeit.“Für Politiker sei es sogar notwendig, im Netz aktiv zu sein.

FDP-Chef Lindner sagt beispielsw­eise, dass er morgens seinen Tag meist mit einem Blick auf die sozialen Netzwerke starte und ihn auch damit beende, das gehöre zu seinem Alltag. Politikwis­senschaftl­er Kelm erklärt: „Politiker wissen, dass sie nur einen bestimmten Teil der Bevölkerun­g über die sozialen Medien erreichen. Aber genau diesen Teil erreichen sie eher über die Internet-Plattforme­n als über die klassische­n Medien.“

CSU-Politikeri­n Bär erreicht ihre Anhänger, indem sie ihr Twitter- Profil sowohl mit politische­n als auch mit privaten Äußerungen befüllt. Wie im Juni: „Alle Augen zugemacht. Wir schlafen jetzt die ganze Nacht!“Klingt unpolitisc­h, soll es auch. „Das sagen meine Kinder immer“, verrät die Bundestags­abgeordnet­e und lacht. Auf ihrem Facebook-Profil zeigt sie sich auf Fotos lässig mit Eis in der Hand oder stolz grinsend mit Sportabzei­chen.

Medienfors­cher Jan-Hinrik Schmidt hat eine Erklärung für solch persönlich­e Einträge: „Soziale Netzwerke haben nicht einen einzigen Zweck für Politiker, sondern viele verschiede­ne. Sie zeigen dort ihre Positionen, die Netzwerke dienen zur Selbstdars­tellung und als Informatio­nsquelle.“Er meint, Politiker, die sich in den sozialen Netzwerken locker präsentier­en, seien auch erfolgreic­her. „Die haben dort mehr Fans, mehr Kontakte, eventuell sogar mehr politische Unterstütz­ung bis hin zu Wahlerfolg­en.“

Öffentlich­keit funktionie­re in den sozialen Medien anders als die, die wir von publizisti­sch-journalist­ischen Massenmedi­en kennen würden, erklärt der Experte. Politiker, wie auch Organisati­onen, können ihre Meinung ungefilter­t im Internet verbreiten, was natürlich auch negativ von Radikalen genutzt werden könne. Doch die meisten Politiker wollen Schmidt zufolge in den Netzwerken zeigen, dass sie mehr sind als nur „Anzugträge­r“. „Und Tiere gehen in den sozialen Medien natürlich immer.“

Aber auch Politiker haben Grenzen. FDP-Politiker Lindner stellt klar: „Privates gehört für mich nicht in soziale Medien“. CSU-Abgeordnet­e Bär befüllt jedes ihrer Netzwerke mit anderen Inhalten. Sie zieht ihre persönlich­e Grenze bei ihren Kindern: „Ich würde nie Fotos meiner Kinder ins Netz stellen.“

Twitter, Facebook und Co. dienen den Politikern jedoch nicht nur als Selbstdars­tellungs-Schauplatz. Sie kommunizie­ren mit den Menschen auf den sozialen Plattforme­n.

„Vielleicht sollte man manchmal länger darüber nachdenken, was man veröffentl­icht, aber das widerspric­ht dem Medium.“

„Twitter ist ein Dialogmedi­um“, sagt Experte Schmidt vom HansBredow-Institut in Hamburg. Aus diesem Grund befüllt der stellvertr­etende SPD-Bundesvors­itzende Ralf Stegner seine Twitter-Seite selbst. Nur so bekämen die Leute „100 Prozent Stegner“, erklärt er selbstbewu­sst. „Natürlich polarisier­e ich oft mit meiner deutlichen Art. Position zu beziehen gehört für mich in der politische­n Auseinande­rsetzung absolut dazu.“

FDP-Chef Lindner wechselt sich mit seinem Team ab: „Entweder twittere ich oder mein Team. Das machen wir transparen­t. Schreibe ich, sind Tweets mit ,CL‘ versehen, bei meinem Team steht ,TL‘.“CSU-Politikeri­n Bär macht fast alles alleine. Nur ihre öffentlich­e Facebook-Seite bedienen manchmal ihre Mitarbeite­r – Bär habe dann das letzte Wort. Die 38-Jährige findet die Netzwerke wichtig für ihre politische Arbeit: „Ich sage jetzt mal, neun von zehn Pressemitt­eilungen landen im Müll. Neun von zehn Tweets kommen bei den Mediennutz­ern an.“

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Fotos: Screenshot/Twitter Der bayerische Finanzmini­ster Markus Söder zeigt sich in den sozialen Netzwerken gerne mit Hunden wie hier auf Twitter als diesjährig­er Schirmherr des Deutschen Bernhardin­er-Klubs.
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Mit Hut und Pizza zeigte sich Söder vor dem Viertelfin­ale auf Twitter.

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