Augsburger Allgemeine (Land West)
Flugreisen als Klimakiller
Hintergrund Wer sich mit dem Jet in entlegene Urlaubsparadiese bringen lässt, schädigt die Umwelt weit mehr, als wenn er Europa mit der Bahn entdeckt. Was der Verbraucher tun kann, wenn sich das schlechte Gewissen in Grenzen halten soll
Berlin Nordsee toppt Südsee als Ferienziel – zumindest in Sachen Klimaschutz. Denn Urlaubsreisen mit dem Flugzeug belasten die Umwelt erheblich. Ein Aspekt, der auch der zügigen Umsetzung der Vereinbarungen entgegensteht, die auf dem Klimagipfel von Paris vereinbart worden sind. Fragen und Antworten dazu:
Ich fliege in den Urlaub – muss ich ein schlechtes Gewissen haben?
Ja, ein bisschen schon. Fliegen ist die klimaschädlichste Art, sich fortzubewegen. Schon mit einem Flug nach Teneriffa verursacht ein Passagier nach Berechnungen des Naturschutzbunds Deutschlands deutlich größere Klimaschäden, als wenn er ein ganzes Jahr lang Auto fährt.
Um welche Schäden für die Umwelt geht es?
Die Turbinen pusten viel Kohlendioxid und Stickoxide in die Luft, die den Treibhauseffekt befördern und die Atmosphäre aufheizen. Hinzu kommen Kondensstreifen und Aerosole wie etwa Ruß, die ebenfalls verhindern, dass Wärme vom Boden in den Weltraum zurückgestrahlt wird. Mit einer einzigen Flugreise können 2000 bis 6000 Kilogramm klimaschädliches CO2 freigesetzt werden, wie das Umweltbundesamt vorrechnet. Um aber bis 2050 wie angestrebt Klimaneutralität zu erreichen, dürfte jedermann jährlich nur rund 1000 Kilogramm emittieren. Ein weiter wachsender Luftverkehrssektor belastet zudem Anwohner durch Fluglärm.
Wie groß ist die Dimension des Problemes. Und ist eine Trendwende überhaupt in Sichtweite?
Im Gegenteil. Rund 26 000 kommerzielle Flugzeuge düsen um die Erde, weltweit gibt es knapp 3900 Flughäfen. Und der Luftverkehr wächst weiter: Der Airlineverband IATA erwartet, dass die Passagierzahlen weltweit in diesem Jahr um gut sechs Prozent zulegen. Dank des niedrigen Ölpreises ist Kerosin für die Airlines recht billig zu haben, was zumindest teilweise auch die Ticketpreise drückt. Das dürfte nach Einschätzung von Branchenexperten die Nachfrage zusätzlich befeuern.
Wie kann die Politik gegensteuern? Wird das Fliegen teurer?
Umwelt- und Verkehrsverbände fordern eine europaweite Abgabe auf klimaschädliche Emissionen durch Flugzeuge, abhängig von der Strecke. Ersatzweise könnte nach Ansicht des „Arbeitskreises Flugverkehr“der Luftverkehr in den Emissionshandel einbezogen werden, damit würde für „Verschmutzungsrechte“Geld fällig. Zudem fordert die Initiative, dass in Deutschland eine nationale Kerosinsteuer erhoben wird, als Vorstufe einer europaweiten Kerosinsteuer. Ebenso müsse die Umsatzsteuerbefreiung im grenzüberschreitenden europäischen Flugverkehr ein Ende haben. All dies würde das Fliegen tatsächlich verteuern.
Was kann der Einzelne tun, um seine persönliche Klimabilanz zu verbessern?
Das Bundesumweltministerium empfiehlt: „Fliegen Sie seltener, bleiben Sie länger vor Ort.“Auch manche Reisewünsche seien zu hinterfragen, meint das Umweltbundesamt. „In Europa gibt es mehr spannende Sehenswürdigkeiten und Reiseziele, als wir in unserem Leben jemals entdecken können.“Busse, Bahnen oder auch das Fahrrad sind dabei zu bevorzugen, raten Umweltverbände. Denn: Allein 20 Millionen Passagiere sind 2015 innerdeutsch geflogen, obwohl man hierzulande auch mit der Bahn gut vorankommt. Wer trotzdem den Flieger bucht, kann die Treibhausgase einer Flugreise zumindest freiwillig kompensieren. Sowohl gemeinnützige Organisationen als auch Fluggesellschaften bieten diese Möglichkeit an. Mit dem Geld werden Klimaschutzprojekte finanziert. Geschäftsreisenden rät das Umweltbundesamt zu Videokonferenzen, die viele Flugreisen überflüssig machen können.
Was sagt die Luftverkehrsbranche zu solchen Vorschlägen?
Die Luftverkehrswirtschaft weist darauf hin, dass die deutschen Fluggesellschaften ihren Treibstoffverbrauch verringert haben. 1990 habe ein Flugzeug noch durchschnittlich 6,3 Liter Kerosin pro Passagier und 100 Kilometer gebraucht, im vergangenen Jahr seien es durchschnittlich nur 3,68 Liter gewesen. Trotz hoher Wachstumsraten im weltweiten Luftverkehr, allein im vergangenen Jahr 6,5 Prozent, sei es gelungen, den Treibstoffverbrauch von dieser Steigerung zu entkoppeln.
Torsten Holtz, dpa