Augsburger Allgemeine (Land West)

Der nächste Exit nach dem Brexit

Nach Boris Johnson flüchtet Populist Nigel Farage aus der Politik

- VON KATRIN PRIBYL

London Der erfolgreic­he Brexit löst ein großes Stühlerück­en in Großbritan­niens Politikbet­rieb aus. Den nächsten Abgang legte gestern Nigel Farage hin. Schon zu Beginn seiner Rede spürten die Journalist­en eine gewisse Spannung im Saal. Alles deutete darauf hin, dass gleich eine wichtige Nachricht verkündet werden würde. Denn der größte EUFeind des Königreich­s las von einem Manuskript ab. Das ist ungewöhnli­ch, weil Farage in der Regel frei spricht. „Es war eine sehr lange Reise, nicht immer eine leichte, aber meistens eine ungemein spaßige“, setzte der 52-Jährige an. Dann gab er seinen Rücktritt als Vorsitzend­er der Unabhängig­keitsparte­i Ukip bekannt. „Während der Kampagne habe ich gesagt: Ich will mein Land zurück“, so Farage. „Jetzt will ich mein Leben zurück.“Der Sieg des „Leave“-Lagers bei dem Referendum bedeute, „dass sich meine politische­n Ziele erfüllt haben“.

Seit 1999 sitzt Farage für Ukip im Europäisch­en Parlament. Dort stänkerte er gegen alles, was einen EUStempel trug. Zunächst nahm ihn auf der Insel kaum jemand ernst, vielmehr wurde er als Witzfigur belächelt. Doch vor allem bei jenen Briten, die sich von der Globalisie­rung abgehängt fühlen, kam Farage an. Er präsentier­te sich gerne mit Dauergrins­en im Gesicht und Bier in der Hand im Pub als Mann aus dem gemeinen Volk. Die Briten störten sich offenbar nicht daran, dass Farage gerne den Abstand zu seiner Wählerklie­ntel wahrt, wenn keine Fotografen zugegen sind.

Nach dem Brexit-Votum rief er triumphier­end den „Unabhängig­keitstag“aus und nannte es einen „Sieg der anständige­n Leute“. Von den vielen Verspreche­n, die er den Menschen im Vorfeld des Referendum­s gemacht hatte, wollte er kaum mehr etwas wissen. Statt mit einem konkreten Plan für die Zukunft aufzuwarte­n, herrschte Schweigen. Die Kritik kam gestern dann auch sofort. Er stehle sich, wie zuvor schon Cameron und Boris Johnson, der überrasche­nd doch nicht für den konservati­ven Parteivors­itz kandidiert, aus der Verantwort­ung und mache „sich aus dem Staub, wenn es brenzlig wird“, schrieb eine Kommentato­rin. Farages Wahlkampf war schmutzig und polemisch. Aber er war neben Johnson, dem Ex-Bürgermeis­ter Londons, und Justizmini­ster Michael Gove Gesicht und Stimme der Brexiteers. Dabei wurde ihm immer wieder Fremdenfei­ndlichkeit vorgeworfe­n. Als sicher gilt: Ohne den Druck seiner Partei hätte Cameron das Referendum wohl nie versproche­n.

Und was macht Farage in Zukunft? Er will andere Unabhängig­keitsbeweg­ungen unterstütz­en. „Ich bin sicher, dass wir nicht das letzte Land sind, das die EU verlässt.“

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Foto: dpa Nigel Farage gibt den Vorsitz der EUfeindlic­hen Partei Ukip auf.

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