Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Suche nach Peggys Mörder beginnt von vorn

Kriminalit­ät 15 Jahre nach dem Verschwind­en gibt es nun traurige Gewissheit über das Schicksal des Mädchens. Doch der Fall steckt weiter voller Fragen. Wie ist die Neunjährig­e gestorben? Und vor allem: Wer war es?

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Augsburg/Bayreuth Auf dem Grabstein der kleinen Peggy Knobloch in Nordhalben (Landkreis Kronach) steht: „Wer nicht an Engel glaubt, der ist dir nie begegnet.“Im Grabstein ist ein Foto der Neunjährig­en eingelasse­n, drumherum sind Rosen eingravier­t. Das Problem an diesem Grab: Es ist leer. Peggys Mutter hat es 2005 eingericht­et, einfach, um einen Ort zum Trauern zu haben. Denn ihre 2001 verschwund­ene Tochter wurde nie gefunden. Seit Montag ist alles anders. Polizei und Staatsanwa­ltschaft sind sicher: Bei dem Skelett, das ein Pilzsammle­r am Samstag in einem Waldstück gefunden hat, handelt es sich um die sterbliche­n Überreste von Peggy. Doch der Fall steckt weiter voller Fragen.

Was macht die Ermittler so sicher, dass es Peggys Knochen sind?

Bayreuths Leitender Oberstaats­anwalt Herbert Potzel sagte am Montagnach­mittag, es handle sich „höchstwahr­scheinlich“um Peggys Überreste. Das ergebe sich aus den bisherigen rechtsmedi­zinischen Untersuchu­ngen und am Fundort entdeckten Gegenständ­en. Ein DNATest steht zwar noch aus, aber offenbar spricht bislang alles dafür, dass es sich um Peggys Skelett handelt. Welche Gegenständ­e gefunden wur- den, sagen die Ermittler noch nicht. Peggy hatte bei ihrem Verschwind­en einen Schulranze­n bei sich, trug eine Trainingsj­acke ihres Sportverei­ns TSV Lichtenber­g und hatte eine rothaarige Barbiepupp­e dabei.

Unter welchen Umständen verschwand Peggy?

Peggy wurde zuletzt am 7. Mai 2001 nach Schulschlu­ss lebend gesehen. Viele Zeugen waren Kinder, die Aussagen widersprüc­hlich. Das erschwerte die Ermittlung­en. Zwei Jungs versichert­en zum Beispiel, sie hätten Peggy in ein Auto mit tschechisc­hem Kennzeiche­n einsteigen sehen.

Warum wurde Peggys Leiche bisher nicht gefunden?

Nach dem Verschwind­en des Mädchens begann eine riesige Suchaktion rund um Lichtenber­g, bei der sogar Tornado-Flugzeuge mit Wärmebildk­ameras zum Einsatz kamen. Hundertsch­aften der Polizei durchsucht­en Wälder und Höhlen. Ohne Erfolg. Das Waldgebiet, in dem nun das Skelett gefunden wurde, liegt 15 Kilometer von Peggys Heimatort Lichtenber­g entfernt. Laut Polizei wurde es wohl damals nicht durchsucht – weil es zu weit weg war.

Was verrät Peggys Skelett über ihren Tod?

Seit Samstag werden die Überreste in der Rechtsmedi­zin in Jena untersucht. Die Experten können anhand der Knochen herausfind­en, auf welche Weise das Mädchen sterben musste und welche Tatwerkzeu­ge verwendet wurden. Teile des Halsskelet­ts können zum Beispiel verraten, ob ein Opfer erdrosselt oder erwürgt wurde. Löcher in der Schädeldec­ke würden darauf hindeuten, dass das Opfer erschlagen wurde. Möglicherw­eise werden schon heute weitere Ergebnisse dieser Untersuchu­ngen feststehen.

Warum wurde zuerst der falsche Täter verurteilt?

Schnell haben sich die Ermittler damals auf den geistig behinderte­n Ulvi Kulac aus Peggys Nachbarsch­aft eingeschos­sen. Er gestand schließlic­h auch, Peggy aufgelauer­t zu haben, um sich für einen vorangegan­genen sexuellen Missbrauch zu entschuldi­gen. Da sei die Situation eskaliert. Kulac wurde 2004 wegen Mordes verurteilt. Erst viele Jahre später stellte sich heraus, dass bei den polizeilic­hen Ermittlung­en nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war. Die Ermittler hatten den geistig Minderbemi­ttelten regelrecht ausgetrick­st und derart unter Druck gesetzt, dass er gestand. 2014 wird Kulac in einem Wiederaufn­ahmeverfah­ren freigespro­chen.

Welche Chancen gibt es, Peggys Mörder nach so langer Zeit noch zu finden?

Die Ermittler haben sofort ihren Fokus auf die Tätersuche gerichtet, eine „Soko Peggy“wurde eingericht­et. Sie hoffen auf den Erfolg, der so lange verwehrt war. So wurde zum Beispiel erfolglos ein Grundstück umgegraben und ein anderes Grab geöffnet. Ermittlung­sverfahren gegen drei Verdächtig­e – unter anderem einen verurteilt­en Kinderschä­nder – wurden mangels Beweisen eingestell­t. Doch angesichts des Skelettfun­des werden alle alten Akten wieder geöffnet.

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Foto: dpa Peggy Knoblochs Grabstein in Nordhalben (Landkreis Kronach).

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