Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Fall Peggy ist ein Polizeiska­ndal

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Für die Angehörige­n, für die vielen falschen Verdächtig­en ist es trotz des Aufreißens alter Wunden eine Erleichter­ung, dass Peggys trauriges Schicksal nun gewiss ist und der Leichnam des kleinen Mädchens beerdigt werden kann. Viele für die Eltern belastende Verschwöru­ngstheorie­n, etwa eine Entführung ins Ausland, sind ausgeräumt. Die Hoffnungen richten sich nun darauf, dass am Fundort noch Spuren gesichert werden können, die den Täter überführen.

Das ist nicht nur für die Hinterblie­benen wichtig, sondern auch für die Ermittlung­sbehörden: Denn der Fall Peggy ist ein unaufgeklä­rtes bayerische­s Trauma, das bis zum Justiz- und Polizeiska­ndal reicht. Einst wurde auf politische­n Druck die Sonderkomm­ission ausgewechs­elt. Neuer Chefermitt­ler wurde jener Polizist, der später als Soko-Leiter bei der (wie man heute weiß, vom NSU-Trio begangenen) Mordserie an Migranten eklatant versagt hatte. Sein im Fall Peggy präsentier­ter geistig behinderte­r Tatverdäch­tiger wurde von den Ermittlern regelrecht ausgetrick­st.

Im „Prozess ohne Leiche“wurden einer Farce gleich alle Zweifel für den Angeklagte­n und Zeugenauss­agen beiseitege­wischt. Wie in anderen Fällen in Bayern unschuldig Verurteilt­er spielte eine für Laien eindrucksv­olle Video-Tatrekonst­ruktion eine unrühmlich­e Rolle. Erst zehn Jahre später folgte der Freispruch. Auch ohne den oder die Schuldigen zu kennen, ist der Fall Peggy ein Lehrstück. Sollte er nun aufgeklärt werden können, muss auch die politische Dimension des Falles durchleuch­tet werden.

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