Augsburger Allgemeine (Land West)

Gauck bei den Kriegsspie­len

Manöver Der Bundespräs­ident besucht im Westallgäu eine internatio­nale Übung, bei der 91 Offiziere aus 33 Ländern in Rollenspie­len zu Militärbeo­bachtern der Vereinten Nationen ausgebilde­t werden

- VON PETER MITTERMEIE­R

Maierhöfen Das Krisengebi­et „Sandland“liegt im Westallgäu. Am Rand eines Weilers treffen zwei bewaffnete Konfliktpa­rteien aufeinande­r. Zwei Dutzend Soldaten stehen sich – die Schnellfeu­ergewehre im Anschlag – auf einer Brücke gegenüber; mittendrin als Schlichter acht Blauhelme, angehende Militärbeo­bachter der Vereinten Nationen. Das Rollenspie­l ist Teil einer sechstägig­en Übung im Dreiländer­eck am Bodensee, bei der 91 Offiziere aus 33 Nationen auf Einsätze in Krisenregi­onen vorbereite­t werden. Aus 100 Metern Entfernung beobachtet Bundespräs­ident Joachim Gauck das Geschehen. Ihm ist es „wichtig, die Ausbildung für die UN-Bobachter selbst kennenzule­rnen“.

Die weißen Geländewag­en mit dem Aufdruck UN und Blauhelme gehören im Westallgäu im Sommer seit sechs Jahren zum Straßenbil­d. Wegen der nahen Lage zu Vorarlberg und der Ostschweiz hält das Ausbildung­szentrum der Vereinten Nationen im unterfränk­ischen Hammelburg regelmäßig seine Abschlussü­bungen hier ab. In den beiden Nachbarlän­dern trainieren zeitgleich Offiziere. Internatio­nalität gehört zum Konzept, auch in Krisengebi­eten arbeiten Beobachter aus mehreren Ländern zusammen.

Gauck ist der Einsatz von Soldaten im Auftrag der Vereinten Nationen „wichtig“. Deutschlan­d stelle sich damit seiner Verantwort­ung in der Welt, sagt der Bundespräs­ident. Blauhelme sind für ihn ein „erster Schritt“, um in einer Krisenregi­on Frieden zu entwickeln. Zwei Stunden lang informiert er sich über die Arbeit der UN-Beobachter. 360 davon stellt die Bundeswehr. Stationier­t sind sie derzeit im Sudan und der Westsahara.

Vor allem durch Reden sollen sie Konflikte lösen. Denn in der Regel sind UN-Beobachter unbewaffne­t. „Beobachten, melden und vermitteln“, beschreibt Oberst Michael Uhrig, Kommandeur des Ausbildung­szentrums, ihre Aufgaben.

Wie das geht, lernen die Offiziere nicht zuletzt bei der Übung. Die Rollenspie­le sind „so realistisc­h wie möglich“(Uhrig). Frauen, die beim Auftauchen einer UN-Patrouille am Grab ihres getöteten Mannes um Hilfe flehen, gehören dazu oder sogenannte Warlords, die unter der Bevölkerun­g Soldaten requiriere­n lassen. Immer wieder auch treffen Soldaten der beiden verfeindet­en Armeen aufeinande­r. Wie in einem Weiler bei Maierhöfen. An der Brücke – direkt an der Grenze zwischen Bayern und Baden-Württember­g gelegen – schaukelt sich die Lage hoch. Erst überschrei­tet eine Patrouille die Waffenstil­lstandslin­ie, dann erscheinen Soldaten der verfeindet­en Armee, schließlic­h fahren Panzer auf, am Ende kommen die Warlords persönlich. Die Blauhelme stehen die ganze Zeit zwischen den beiden verfeindet­en Parteien. Ihre Aufgabe: „Durch gezielte Ansprache verhindern, dass Schüsse fallen“(Uhrig). Das kann im Ernstfall gefährlich sein. Deshalb lernen die Beobachter auch, an Selbstschu­tz zu denken. „In so einer Situation würde keiner den Beobachter­n einen Vorwurf machen, wenn sie die Szene verlassen“, sagt Uhrig.

Im Rollenspie­l bleiben die Beobachter vor Ort. Die beiden Warlords ziehen zeitgleich ab. „Sehr realistisc­h“ist das Geschehen für Jens Stieg. Der Stabsoffiz­ier, der die Rolle eines Warlords übernommen hat, war bei Friedensmi­ssionen in Bosnien, Afghanista­n und dem Südsudan dabei. Seine Motivation beschreibt er so: „Wenn wir es schaffen, die Welt ein bisschen friedliche­r zu machen, haben wir viel erreicht.“

„Ich habe hohen Respekt vor Menschen, die sich ohne Waffen zwischen Konfliktpa­rteien stellen und nur ihre Worte einsetzen.“

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Eine gefährlich­e Situation – zum Glück simuliert. Blauhelme sollen schlichten.

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