Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Kunst bleibt im Land

Nordrhein-Westfalen kauft ehemalige WestLB-Sammlung

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Düsseldorf Wochenlang dauerte es im Herbst 2014, bis die Kulturszen­e in Nordrhein-Westfalen begriff, was für ein Kunstverlu­st dem Land drohte. Doch als sich der öffentlich­e Protest erhob, war es schon zu spät: Der Casino-Betreiber Westspiel ließ zwei Siebdrucke von Andy Warhol aus der Aachener Spielbank versteiger­n. Ein Riesengesc­häft, rund 120 Millionen Euro brachten „Triple Elvis“und „Four Marlons“ein. Westspiel war erst einmal saniert. Die Kunst war weg. Museumsdir­ektoren sprachen von einer „kulturpoli­tischen Bankrotter­klärung“.

Schon Anfang 2015 kam die nächste Hiobsbotsc­haft: Die WestLB-Nachfolger­in Portigon AG kündigte an, die millionens­chwere Kunstsamml­ung der einst mächtigen und nun zerschlage­nen Westdeutsc­hen Landesbank abzustoßen. Diesmal reagierte die Landesregi­erung früh genug. Monatelang verhandelt­en das Land und Portigon über einen Ankauf der Kunstwerke, die von mittelalte­rlichen Altartafel­n bis zu einem Nagelbild von Günther Uecker reichen.

Am Montag wurde der Vertrag besiegelt: Der Großteil der fast 400 Kunstwerke wird vom Land gekauft und in eine landeseige­ne Stiftung überführt. 30 Millionen Euro kosten die 297 wichtigste­n Kulturgüte­r, deren Marktwert aber inzwischen bereits höher liegen dürfte. In der Gesamtsumm­e inbegriffe­n ist auch die auf fünf Millionen Euro geschätzte Stradivari „Lady Inchiquin“. Stargeiger Frank Peter Zimmermann hatte sie zehn Jahre gespielt, musste sie abgeben und bekommt sie nun in Kürze zurück. Binnen zehn Wochen sollen die gekauften Kunstwerke an Museen in ganz NRW verteilt werden.

Viel Zeit blieb NRW für den Kauf nicht mehr, denn Portigon als Nachfolger­in der WestLB muss sich nach EU-Regeln abwickeln, also praktisch auflösen. „Jetzt sind die Werke für das Land gesichert und der Rückbau nicht gefährdet“, sagte NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans. Doch mittlerwei­le ist bereits eine weitere Kunstsamml­ung unter den Hammer gekommen. Der Westdeutsc­he Rundfunk ließ kürzlich mehr als 20 Werke unter anderem von Max Beckmann und Ernst Ludwig Kirchner in London versteiger­n und erzielte fast drei Millionen Euro. Weitere Arbeiten sollen im Herbst folgen.

Inzwischen hat Kulturstaa­tsminister­in Grütters ein umstritten­es Gesetz zum besseren Schutz von Kulturgüte­rn in Deutschlan­d auf den Weg gebracht. Was bei aller Kritik daran fast in Vergessenh­eit geriet: Auslöser für die Neuregelun­g war auch der Verkauf der Westspiel-Warhols und das Ringen um die WestLB-Kunst. Der Verkauf der Warhol-Bilder wäre aber auch mit dem neuen Gesetz wohl nicht zu verhindern gewesen.

NRW will künftig zumindest die landeseige­nen Unternehme­n mit einem Kodex verpflicht­en, sorgsam mit Kunst umzugehen. Kunst in Unternehme­n soll auch vor Zerstörung besser geschützt werden. Damit sich nicht Ähnliches wie im Aachener Casino wiederholt, wo ein Lichtregen von Heinz Mack auf dem Müll landete.

Dorothea Hülsmeier, dpa

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Foto: dpa Auch Geiger Frank Peter Zimmermann erhält seine Stradivari zurück.

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