Augsburger Allgemeine (Land West)

Itsy Bitsy Teenie Weenie

Jubiläum Der Bikini wird 70 Jahre alt. Nie hat ein Textil-Zweiteiler die Welt und die Fantasien so belebt. Aber gab es das nicht schon zu Römerzeite­n?

- VON RUPERT HUBER

Augsburg Bikini. All die Bilder, die einem schlagarti­g in den Kopf kommen: Elvis Presley, am Strand von Hawaii von Schönheite­n umgeben, Vivi Bach dänisch lispelnd („die sspitzen Steine“) in die kroatische Adria sich vortastend. Das Nachbarmäd­chen Ingrid, das am heimischen Eiskanal im Bikini am Absperrsei­l hängend die auf sie prallenden Wellen genoss.

Und dann Ursula Andress, die Badekönigi­n der frühen 60er Jahre, die in „James Bond – 007 jagt Dr. No“mit einem Messer an der Hüfte im weißen Zweiteiler aus dem Meer steigt. Vor allem die Andress: Mit einer solchen Bikini-Frau wollten Millionen von Männern den Strand in blauen Nächten unter Palmen zum Liebespara­dies machen.

Noch heute denken Männer, wenn sie einer Bikini-Schönheit begegnen, an Laufwege ihrer Finger und an den Abschluss – um mal die Fußballspr­ache zu bemühen.

Keine Frage, ein Badeanzug, der optische Freiheiten zuließ, musste zum Hit werden in einer Gesellscha­ft, die den Staub des 19. Jahr- hunderts auch in den Freibädern abwaschen wollte.

Der Franzose Louis Réard wusste offenbar, was Frauen (und Männer) wollten. Heute vor 70 Jahren lieferte er den Pariserinn­en und Parisern eine besondere Show im MolitorSch­wimmbad. Eine Nackttänze­rin präsentier­te verschiede­ne Stoffdreie­cke, verbunden durch verschiede­ne Tücher. Réard hätte sogar als Erfinder des Stringtang­as in die Geschichte eingehen können.

Was für ein Drama: Bis der Zweiteiler zur Selbstvers­tändlichke­it wurde, vergingen Jahrzehnte. Zumal in Deutschlan­d wäre eine 30-jährige Ehefrau schief angeschaut worden, hätte sie nicht den klassische­n Einteiler übergestre­ift. Den Bikini überließen die Mütter zähneknirs­chend ihren Töchtern, die sich loslösen wollten vom Adenauer-Mief, der auch die Mode beherrscht­e. Und die Kerle wollten ja auch lieber ihre Girls im Bikini sehen. Auch wenn das Badedress Anfang der 60er Jahre obenrum steif und untenrum etwas pludrig aussah. Nicht so elastisch formend wie heute. Aber das schmale Oben und das nötige Unten waren nicht aufzuhal- ten. Der Club Honolulu, bestehend aus Caterina Valente und ihrem Bruder Silvio Francesco, nutzte 1960 einen US-Song, um in „Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strand Bikini“den Wirbel ironisch anzugehen. „8, 9, 10, na was gab’s denn da zu sehn? Es war ihr Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strandbiki­ni, ja der gefiel ganz besonders den Herrn.“

Bikini am Badestrand zu tragen war einfach cool. Wobei – das muss man leider auch sagen – manches großartige Mädchen auf der Badedecke im Einteiler sitzen blieb, weil entweder die strengen Eltern oder die Figur ihm einen Strich durch die Rechnung machten. Weil das Leben an sich nicht fair ist.

Heute sind viele Frauen selbstbewu­sster und pfeifen auf die Diktatur der Bikini-Idealfigur-Zeitschrif­ten, die ihnen ja nur die Lust auf den Urlaub am Meer vergällen könnten.

Wenn da nur nicht eine fast archaische Eigenschaf­t die Frau nicht loslassen würde. Es soll vorkommen, dass sie vor dem Spiegel steht, ihre Figur prüft und rätselt, wie sie denn nun in diesem Sommer rüberkommt. Der klassische Einteiler, so schön er auch die Auslagen der Fachgeschä­fte schmückt, wird nie der Hit werden bei den jüngeren Frauen und der Generation 60 minus. Wenn frau nicht gerade profession­elle Schwimmeri­n ist. Denn im Wasserspor­t muss zusammenge­halten werden, was zusammenge­hört.

Warum mögen Frauen die textile Aufteilung am Strand? Umfrage in kleiner Runde: Der Bikini lässt halt mehr Luft an die Haut, sich bei Nässe schneller wechseln und zaubert einem die Sonnenstra­hlen auf den gern gesehenen Bauchnabel. Macht auch oft bella figura.

Übrigens: Im 4. Jahrhunder­t nach Christus waren sportliche, spätrömisc­he Schönheite­n bereits in flotten bikiniähnl­ichen Outfits zugange, wie berühmte Mosaiken in der Villa Romana del Casale in der Nähe der Stadt Piazza Armerina auf Sizilien zeigen. Ja, Monsieur Réard, die alten Römer waren doch schneller.

Dass der offizielle Erfinder Réard seine Kreation nach dem BikiniAtol­l benannt hat, hat etwas Gruseliges. Vier Tage zuvor hatten dort die USA eine Atombombe getestet. Die Bikini-Tauglichke­it des Atolls geht noch heute gegen null.

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