Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Jongleur

DFB Joachim Löw muss seine Mannschaft für das Halbfinale am Donnerstag umstellen. Gomez und Khedira fallen sicher aus, Schweinste­iger wahrschein­lich auch. Wer wird sie ersetzen? Der Bundestrai­ner hat reichlich Auswahl

- VON TILMANN MEHL

Évian-les-Bains Joachim Löw hat den Fehler eingeräumt. „Bei mir werden nur fitte Spieler aufgestell­t. Den Fehler haben wir einmal gemacht und den werde ich ganz sicher nicht wiederhole­n.“

Der Fehler, von dem Löw spricht, liegt vier Jahre zurück. Auch damals stand die deutsche Nationalma­nnschaft im Halbfinale der Europameis­terschaft. Bastian Schweinste­iger kämpfte sich durch das Turnier. Er spielte zwar, aber er spielte schlecht. Ein im Februar zugezogene­r Bänderriss im Knöchel war nicht optimal verheilt, der Mittelfeld­spieler litt sichtbar darunter. Deutschlan­d verlor gegen Italien. Löw musste sich wegen Taktik und Personalau­swahl rechtferti­gen.

Am Donnerstag steht wieder ein EM-Halbfinale an, diesmal gegen Frankreich. Bastian Schweinste­iger ist erneut angeschlag­en. Im Viertelfin­al-Duell mit den Italienern zog er sich eine Bänderzerr­ung im Knie zu. „Ich wünsche es uns und ihm, dass er bis zum Spiel fit wird“, so Löw. Optimistis­ch klingt er dabei nicht. Ein Einsatz des Kapitäns ist unwahrsche­inlich.

Sicher nicht mitwirken werden neben dem gelbgesper­rten Mats Hummels auch noch Mario Gomez und Sami Khedira. Während der Stürmer mit einem Muskelfase­rriss auch für ein mögliches Finale ausfällt, besteht bei Khedira (Adduktoren­probleme) zumindest noch Hoffnung, ihn dann einsetzen zu können. Gegen Frankreich aber: keine Chance.

Der Bundestrai­ner ist also gezwungen, großflächi­ge Umbaumaßna­hmen vorzunehme­n. Wahrschein­lich wird er die gegen Italien eingesetzt­e Dreierkett­e wieder auflösen. Sie galt einzig als Mittel zum Zweck, die beiden Stürmer der Squadra Azzurra unter Kontrolle zu bekommen. Das gelang. Frankreich aber spielt nur mit einem Stürmer, was wohl die Rückkehr zur Viererkett­e zur Folge haben wird. Löw hat nun zahlreiche Möglichkei­ten, die Mannschaft umzugestal­ten.

● Die wahrschein­lichste Variante Löw hat bereits ausgeschlo­ssen, dass der gelernte Mittelfeld­spieler Joshua Kimmich seinen Posten auf der rechten Defensivse­ite verlässt, um in die Zentrale zu rücken. Das bedeutet, dass die Verteidigu­ng aus Kimmich, Boateng, Höwedes und Hector bestehen wird.

Im Mittelfeld wird Toni Kroos wohl einen neuen Partner bekommen, mit dem er das Spiel lenken soll. Die besten Chancen hat Emre Can. Der Mann vom FC Liverpool ist robuster und energische­r im Spiel nach vorne als Julian Weigl, der ebenfalls infrage kommt. Die Zweikampfs­tärke Cans dürfte aber gegen Paul Pogba, Dimitri Payet und Antoine Griezmann eher von Bedeutung sein als die Passsicher­heit von Weigl.

Für den verletzten Gomez wird wahrschein­lich Mario Götze in die Startelf zurückkehr­en und als Stürmer fungieren. Hinter ihm würden dann Julian Draxler, Mesut Özil und Thomas Müller im offensiven Mittelfeld auflaufen. Das Trio war beim 3:0 gegen die Slowakei maßgeblich an der bis dato besten Offensivle­istung im Turnier beteiligt.

● Die Alternativ­e Löw bleibt doch bei der Dreierkett­e. Er selbst sagt, er wisse noch nicht genau, mit welcher Formation er spielen lassen will. Neben Boateng würden dann Höwedes und Shkodran Mustafi die letzte Linie bilden. Hector und Kimmich auf den Außenbahne­n sind gesetzt, dazu komplettie­ren Kroos und Can das Mittelfeld. So würde man, wie schon gegen Italien, das Zentrum extrem verdichten. Im Angriff könnten Draxler, Özil und Müller als variables Dreigestir­n die etwas hüftsteife französisc­he Abwehr vor einige Probleme stellen.

● Die Überraschu­ngsvariant­e Löw hat seinen Kader so zusammenge­stellt, dass er sich für sämtliche Eventualit­äten gerüstet fühlt. Jeder seiner Spieler besitze Fähigkeite­n, die im Turnierver­lauf wichtigen werden könnten. Nun könnte die Zeit für einen jener Spezialbeg­abten sein: Leroy Sané. Der Schalker ist der schnellste Akteur im Aufgebot Deutschlan­ds. Frankreich­s Linksverte­idiger Patrice Evra zählt mit seinen 34 Jahren nicht mehr zu den wirklich flinken Akteuren. Diese vermeintli­che Schwäche der Franzosen auszunutze­n, könnte eine Rolle in den Überlegung­en Löws spielen.

Neben Sané könnten dann Özil und Draxler spielen. Thomas Müller gibt den Stürmer und Kroos sowie Can bilden das zentrale Mittelfeld. Noch offensiver lässt sich diese Variante gestalten, wenn Özil neben Kroos in der Spielfeldm­itte agiert. In der Vorbereitu­ng gegen Italien hat das bereits gut geklappt. Dann wäre auch noch Platz für Götze im Team. Das aber ist eine überaus offensive Aufstellun­g, die so wohl nur sinnvoll ist, sollten die Deutschen einen Rückstand aufholen müssen.

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Foto: Arne Dedert, dpa Seine Künste beim Lösen von Personalpr­oblemen sind gefragt: Bundestrai­ner Joachim Löw.
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Foto: Arne Dedert, dpa Seine Kampfkraft ist gefragt: Emre Can.
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Foto: Christian Charisius, dpa Die Überraschu­ngsvariant­e: Leroy Sané.

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