Augsburger Allgemeine (Land West)
Greipel verpasst Sieg knapp
Tour de France: Cavendish im Massensprint vorn
Angers André Greipel freute sich zu früh. Auf der Ziellinie der zweitlängsten Tour-Etappe in Angers wähnte er sich in der MillimeterEntscheidung nach 223,5 Kilometern als Sieger. Dann kam die bittere Nachricht: Sieger Mark Cavendish.
Greipel saß völlig ausgepumpt auf der Motorhaube eines Begleitwagens und nahm die bittere Nachricht mit versteinerter Miene auf. Sein Freund und Anfahrer Marcel Sieberg sagte nur: „Sorry“und klopfte ihm auf die Schulter. Schwacher Trost für den dreimaligen deutschen Meister: Langsam arbeitet er sich an seinen Angstgegner, der ihn schon zum Auftakt in Utah Beach bezwungen hatte, heran. Am Samstag trennten die beiden noch Meter.
Greipel begann nach der kalten Dusche von Angers gleich mit der Analyse: „Ich habe nur einen Fehler gemacht. Aus Reflex hatte ich den höchsten Gang reingelegt – der war am Ende zu dick“, ging Greipel mit sich selbst ins Gericht. Auf der ansteigenden Zielgeraden hatte Cavendish am Hinterrad des LottoSoudal-Kapitäns bis zur letzten Sekunde gewartet – und stieß dann nach vorne. „Wenn man mit einem Zentimeter oder so verliert, braucht man sich nicht zu verstecken. Ich könnte auch nach Hause fahren und den Kopf in den Sand stecken – mache ich aber nicht“, sagte Greipel und hofft auf den Dienstag.
Dann sind die Sprinter in Limoges erneut gefordert. Der von Rolf Aldag betreute Cavendish, der in dieser Saison auch noch bei den Olympischen Spielen in Rio auf der Bahn Großes vorhat, war wieder nicht zu schlagen. „Ich wusste, ich muss von hinten kommen. Ich wollte hinter Greipel meinen Sprint starten. Ich bin glücklich, dass ich es wieder geschafft habe“, sagte der 31 Jahre alte Brite.
Hinter Greipel musste der Franzose Bryan Coquard mit Rang drei zufrieden sein, Marcel Kittel hatte mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun. Ex-Weltmeister Cavendish scheint bei dieser Tour seinen zweiten Frühling zu erleben, am Montag feierte er seinen insgesamt 28. Etappensieg und zog in der Rekordliste mit dem fünffachen Toursieger Bernard Hinault gleich. Die Bestmarke hält Eddy Merckx mit 34 Tagessiegen.
Das „Maillot Jaune“behält Peter Sagan. Dem amtierenden Weltmeister aus der Slowakei reichte dazu im komplizierten Zielsprint von Angers Rang vier. Sagan führt das Gesamtklassement weiter mit acht Sekunden vor dem Franzosen Julien Alaphilippe an und übt Kritik an seinen Kollegen. „Heutzutage fährt jeder, als ob ihm sein Leben nichts wert wäre. Als hätten sie kein Hirn. Derzeit ist es schwer, das Radfahren zu genießen“, spielte Sagan auf die vielen Unfälle an. Zudem hielt er den Veranstaltern vor, durch die Streckenführung die Gesundheit der Fahrer zu riskieren.