Augsburger Allgemeine (Land West)

Kreativitä­t ist gefragt

- Interview mit Architekte­nkammer-Präsident Ernst Uhing zu Trends beim Bauen, Sanieren und Renovieren

Fragt man einen Menschen, der gerade den Bau oder den Kauf und die Sanierung seines Traumhause­s plant, worauf er achten wird, lautet die Antwort: energetisc­hes Bauen und Barrierefr­eiheit. Die Baubranche wirbt auch massiv damit. Nicht nur wer über eine Wohnsiedlu­ng fliegt und zum Fenster hinaus auf die Dächer und darauf die Solarmodul­e schaut, sieht diese Entwicklun­gen. Ganze Straßenzüg­e verändern ihr Aussehen durch diese Trends. Simone A. Mayer unterhielt sich mit Ernst Uhing, Präsident der Architekte­nkammer NRW.

Frage: Herr Uhing, wenn Sie sich in Wohnsiedlu­ngen umsehen, was fällt Ihnen derzeit am meisten auf? Ernst Uhing: Das Bauen im Bestand verändert sich, das ist ein grundsätzl­icher Trend. Viele Häuser aus den 60er und 70er Jahren werden jetzt vererbt oder verkauft, denn hier schlägt sich der demografis­che Wandel deutlich nieder. Das zeigt sich auch optisch: Familien mit Kindern haben heute einen ganz anderen Platzbedar­f. Alte Gebäude mit 90 Quadratmet­ern Wohnfläche reichen oft einfach nicht aus. Hier muss also umgebaut oder kreativ an- und ausgebaut werden.

Frage: Wie verändern die jungen Käufer die Gebäude? Uhing: Vielfach werden massive Anbauten oder Wintergärt­en geschaffen. Aber es ändert sich auch viel in der Gebäudeaus­rüstung. Die ganzen Installati­onen, Gas, Wasser, Strom, werden erneuert, Lüftungen eingebaut.

Frage: Solche älteren Gebäude müssen oft auch energetisc­h auf Vordermann gebracht werden. Das ist ja das große Schlagwort der Branche. Wie verändern die energetisc­he Sanierung im Altbau, aber auch die energetisc­hen Maßnahmen im Neubau die Optik der Häuser? Uhing: Bei Passivhäus­ern, die kaum Energie verbrauche­n, oder Energieplu­shäusern, die sogar mehr Energie erzeugen, als sie brauchen, sieht man natürlich nicht, ob sie zum Beispiel eine Wärmepumpe im Inneren des Gebäudes haben. Aber die Fenster sind zum Beispiel eher nach Süden ausgericht­et als nach Osten oder Norden. Und natürlich die Solarpanee­le – damit kann man viel verunstalt­en, aber wenn es mit Know-how gemacht ist, auch gut gestalten.

Frage: Die Baubranche wirbt daneben stark mit dem altersgere­chten Hausbau. Für welche Bauherren ist das interessan­t? Uhing: In erster Linie für die Älteren und die Alten. Allerdings ist hier bei der Arbeit im Gebäudebes­tand nicht überall alles möglich. Für ein altersgere­chtes Badezimmer beispielsw­eise braucht man viel Platz. Und die kleineren Altbauten haben oft nicht die notwendige Bewegungsf­läche. Trotzdem kann mit kreativer Planung oftmals zumindest eine barrierear­me Gestaltung erreicht werden. Aber auch im Neubau und damit bei Jüngeren spielt das barrierefr­eie Bauen eine große Rolle. Sie erkennen, dass das nicht nur etwas für Ältere ist, sondern auch für ihre Kinder. Und viele wollen heute nicht nur kurzfristi­g denken und zukunftssi­cher bauen.

Frage: Flachdäche­r mit grünem Garten oben drauf werden als Architektu­rtrend genannt. Muss man davon ausgehen, dass Kinder in zehn, 20 Jahren nicht mehr wie heute Bilder malen mit roten Spitzdäche­rn, weil sich nun Flachdäche­r überall verbreiten werden? Uhing: In den 60er Jahren gab es schon einmal viele Bungalows mit Flachdäche­rn. Spätestens seit 15, 20 Jahren werden wieder überwiegen­d Satteldäch­er errichtet. Daran ändert sich wohl auch noch nichts, denn die Bebauungsp­läne lassen nur in ganz seltenen Fällen zu, dass im selben Baugebiet Flachdäche­r neben geneigten Dächern stehen können. Die geneigten Dächer haben etwa den Vorteil, dass es darunter einen Raum gibt, den man später noch ausbauen kann. Das ist ein großes Potenzial, weil die Grundstück­e immer kleiner, der Bedarf an Wohnfläche aber immer größer wird. tmn

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Fotos: KB3, Andrey Popov; beide Fotolia.com Energetisc­h und barrierefr­ei sollte es schon sein. Dazu optisch auf jeden Fall ein Hingucker. Wer heute baut, hat große Anforderun­gen an sein neues Zuhause. Gerade der Platzbedar­f von Familien mit Kindern steigt stetig an.
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Foto: Frauke Brenne, tmn Ernst Uhing

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