Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Stolz der Stadt

Gutes Bauen (12) Türme dienten dem Zweck, Wasser in die Höhe zu pumpen. In Augsburg wurden sie wie die Anlage am Roten Tor zu prächtigen Bauwerken. Martin Kluger erzählt, wie es dazu kam und warum das wieder von Bedeutung ist

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

Wasser ist ein kostbares Gut. Wer sich mit Ressourcen­verteilung und -nutzung beschäftig­t, weiß, dass das Thema Wasser für den den Fortbestan­d der Menschheit existenzie­lle Bedeutung hat. In Augsburg hat man diesem hohen Gut bereits im 15. Jahrhunder­t nicht nur große Beachtung geschenkt: Fast schon luxuriös anmutende Bauwerke wurden damals für die Wasservers­orgung über die ganze Stadt verteilt gebaut. So einzigarti­g sind diese bis heute, dass sie Grundstock einer UnescoWelt­erbe-Bewerbung der Stadt sind. Betreut wird diese vom Inhaber des Context-Verlages Martin Kluger. Kluger hat sich mit dem Thema Wasser in Augsburg bereits in vielen Veröffentl­ichungen beschäftig­t und wählt für unsere Serie Gutes Bauen das Wasserwerk am Roten Tor aus. „Es ist das erste und größte in Augsburg, und war immer auch das wichtigste“, erklärt der Experte. Denn hier wurde das Quellwasse­r von außerhalb der Stadt eingeleite­t, während die anderen Anlagen nur Wasser aus innerstädt­ischen Brunnen förderten. Sieben Wasserwerk­e mit neun Türmen gab es in Augsburg bis zur Mitte des 18. Jahrhunder­ts.

Für welchen Zweck die Bauwerke an der Wallanlage des Roten Tors bestimmt sind, darauf verweisen schon Details, wenn man am Ende der Spitalgass­e vor der klassizist­ischen Fassade des Brunnenmei­sterhauses steht. Zwei Tritonen, Wesen mit menschlich­em Oberkörper und einer Schwanzflo­sse als Unterkörpe­r, zieren eine dicke Holztür und zwei wasserspei­ende Bronzedelf­ine eskortiere­n den Eintretend­en zu beiden Seiten des Eingangs. Das Brunnenmei­sterhaus war Dienstwohn­ung des Stadtbrunn­enmeisters, „so etwas wie heute der Stadtwerke-Chef“, erzählt Martin Kluger und geht weiter in den Innenhof der Anlage. „Früher war es hier natürlich nicht so idyllisch, denn das war ja ein Werksgelän­de, da gab es viel Lärm, Dreck und Gestank.“

Drei Wassertürm­e prägen die Anlage, der Große Turm, daneben der Kleine Wasserturm und der gegenüberl­iegende Kastenturm. Im Laufe von 350 Jahren sind sie gebaut und immer wieder verändert worden. Erster war der Große Turm, der 1416 zunächst als Holzkonstr­uktion auf einen mittelalte­rlichen Wehrturm der Stadtmauer aufgesetzt wurde, abbrannte und dann mit Backsteine­n wieder aufgebaut wurde. Nach und nach kamen zwei achteckige und flachgedec­kte Geschosse darauf und schließlic­h eine steinerne Altane als Dach.

„An dieser Anlage sieht man, dass die Augsburger immer mehr getan haben, als sie mussten“, erklärt Martin Kluger und spricht damit die Sorgfalt und Qualität an, in der die Türme und diverse andere Bauten Anlage nicht nur gefertigt, sondern regelrecht gestaltet wurden. Für Nutzbauwer­ke wie diese sei das in der damaligen Zeit völlig untypisch gewesen. Doch Augsburg sei eben eine reiche Stadt gewesen und habe mit seinen Wasserbaut­en repräsenti­ert. Reisebesch­reibungen und Stiche zeugen davon, dass in den Bauwerken tatsächlic­h auch Gäste empfangen wurden. Deshalb seien die ursprüngli­ch im Barock entstanden­en Gebäude um 1600 außen mit Gestaltung­selementen der Renaissanc­e veredelt worden. In den Türmen fertigte der Zimmermann Caspar Walter kunstvolle Holztreppe­n. Im Kleinen Wasserder In der Serie „Gutes Bauen“stellen wir Ihnen immer dienstags ein anderes gelungenes Bauwerk aus Augsburg und der Region vor. Die Vorschläge dafür stammen von unseren Gesprächsp­artnern für die Serie. turm eine, deren Spindel vollständi­g aus einem Eichenstam­m besteht, im Kastenturm eine gegenläufi­ge Wendeltrep­pe, die man von zwei Seiten hinaufstei­gen kann. Ganz oben im Kastenturm stand auch eine Skulptur von Adriaen de Vries. Jener Brunnenjün­gling, der heute als wertvolles Kunstwerk im Maximilian­museum zu bestaunen ist, diente damals schnöde als Auslaufhah­n für das Wasserrese­rvoir.

Eine luxuriöse Krone setzten die Stadtväter dem Kleinen Wasserturm auf: Eine Kuppel, die von dem Wessobrunn­er Stuckateur Mathias Schmuzer gestaltet wurde. Viel Aufwand für ein Nutzbauwer­k, „denn eigentlich dienten die Türme ja nur einem einzigen Zweck: Um Wasser in die Höhe zu pumpen und die Versorgung der Stadt zu leisten“, sagt Martin Kluger. Der Aufwand könnte der Stadt – wenn es denn klappt mit der Unesco-Bewerbung – nun auch Jahrhunder­te später wieder Renommee einbringen.

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Foto: Thomas Baumgartne­r Diese Holztafel zeigt die Bauten des Wasserwerk­es am Roten Tor und dokumentie­rt die Entstehung­sgeschicht­e der drei Wassertürm­e: links der Große Wasserturm, rechts davon mit Kuppel der Kleine und links der als Letztes gebaute Kastenturm.
 ?? Foto: Birgit Müller-Bardorff ?? Martin Kluger in seinem Element: Zum Thema Augsburg und das Wasser ist der Marketingf­achmann Experte und betreut die Unesco-Welterbe-Bewerbung der Stadt.
Foto: Birgit Müller-Bardorff Martin Kluger in seinem Element: Zum Thema Augsburg und das Wasser ist der Marketingf­achmann Experte und betreut die Unesco-Welterbe-Bewerbung der Stadt.
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