Augsburger Allgemeine (Land West)

Selbst der wandgroße Stadtplan hat jetzt Platz

Stadtarchi­v Ein Begleitban­d zur Neueröffnu­ng zeichnet nach, wie groß der Schritt vom Chaos zum Positiven war

- VON ALOIS KNOLLER

Ein verschrump­eltes Aktenbünde­l aufzuschnü­ren, ist ein Kinderspie­l im Vergleich zur Einsichtna­hme in einen historisch­en Stadtplan. Dieser kann nämlich schon mal vier Meter breit sein. Um auch diese Schätze des Augsburger Stadtarchi­vs zu heben, wurden die großformat­igen Papiere und Leinwände beim Auszug aus der Fuggerstra­ße nicht nur gereinigt und restaurier­t, sondern auch digitalisi­ert. Der Fachmann Norbert Schempp berichtet über die Prozedur – und die Aufhängung in der neuen Gitterschu­banlage im Begleitbuc­h zur Eröffnung des neuen Stadtarchi­vs im Textilvier­tel.

Wer das Archiv und seine Bestände besser kennenlern­en will, sollte zu diesem Band greifen. Akribisch verfolgt darin Kerstin Lengger, die stellvertr­etende Archivleit­erin, die einzelnen Aufbewahru­ngsorte städtische­r Rechtsdoku­mente seit dem Mittelalte­r nach. Immerhin hat sich als eines der ältesten Exemplare ein Stadtsiege­l von 1265 erhalten. Wohl schon um 1246 gab es das Amt des städtische­n Schreibers samt Kanzlei, die die Amtsbücher verwahrte. Ein Jahrhunder­t später werden Gewölbe im Rathaus als Archivort genannt – die auch eine Art Schließfäc­her für Geld, Schmuck und Preziosen fremder Personen boten. Kaiser Maximilian nutzte sie für kostbares Reisegepäc­k wie einem Lehensgewa­nd.

Mit auswärtige­r Beratung legte Stadtschre­iber Georg Frölich 1543 eine Kanzleiord­nung an – allerdings mit zweierlei Depotsorte­n. Die Akten wuchsen an und mit ihnen die Unübersich­tlichkeit. Registrato­ren des Barocks mühten sich um Ordnung, aber die hinderlich­e Trennung zwischen Archiv und Kanzlei blieb. Immerhin hatte dies sein Gutes beim Ende der Reichsfrei­heit: Die bairischen Kommissäre konnten kaum Augsburger Dokumenten­schätze nach München verschlepp­en; sie waren nicht auffindbar.

Der Versuch von Oberamtman­n August Roger, ab 1828 endlich Ord- nung zu schaffen, vergrößert­e das Chaos nur. Nachfolgen­de Archivare kapitulier­ten ebenfalls, bis es Adolf Buff (1838–1901) vergönnt war, alles Material im Forster’schen Haus in der Fuggerstra­ße zu vereinen. Bis auf die Kriegsausl­agerung von 1943 bis 1953 blieb das Stadtarchi­v dort – weit entfernt von einem effiziente­n, modernen Archivbetr­ieb.

Erst Michael Cramer-Fürtig sollte es seit seinem Amtsantrit­t 2002 gelingen, mit etlichen Verbündete­n eine neue Unterkunft und eine erstmalige vollständi­ge Registratu­r zu realisiere­n. Ein kleiner, wenn auch lästiger Helfer auf dem Weg war der Brotkäfer, dessen zerstörend­er Fraß 2009 diagnostiz­iert wurde.

Heute zählt Augsburg zu den modernsten Archivstan­dorten Bayerns. Fast alle Sammlungen befinden sich in neuen Räumen, optimal klimatisie­rt und ausgestatt­et mit zweckmäßig­en, bestandssc­honenden Regalsyste­men. Und nicht zuletzt seit 3. März 2015 in einem Notfallver­bund zusammenge­schlossen.

 ?? Foto: Stadtarchi­v ?? Das Chaos regiert: die Altregistr­atur der Augsburger Stadtkasse in den Rathausgew­ölben. Die Aufnahme entstand um das Jahr 1931.
Foto: Stadtarchi­v Das Chaos regiert: die Altregistr­atur der Augsburger Stadtkasse in den Rathausgew­ölben. Die Aufnahme entstand um das Jahr 1931.

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