Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Jahrhunder­tspringer

Leichtathl­etik Ein einziger Satz hat das Leben von Bob Beamon verändert. Sein Weltrekord von 8,90 Meter bei den Sommerspie­len 1968 in Mexiko City ist legendär. Nie wieder kam er auch nur annähernd so weit. Heute wird Beamon 70

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Berlin 8.90 – nur drei Ziffern und einen Punkt muss der berühmtest­e Weitspring­er der Welt aufs Papier kritzeln, um die Autogrammj­äger wunschlos glücklich zu machen. Bob Beamon schreibt er gar nicht mehr drunter. Diesen Mann kennt ja jeder – und seine irre Geschichte auch.

Mexiko City, 18. Oktober 1968, 15.40 Uhr Ortszeit: 19 Schritte Anlauf in sechs Sekunden, der Fuß trifft den Balken haargenau. Wie vom Katapult beschleuni­gt schnellt der schlanke schwarze Modellathl­et durch die Luft. Er rudert mit Armen und Beinen und landet ganz am Ende der Sandgrube: 8,90 Meter!

Mit seinem unglaublic­hen Weitsprung-Weltrekord im olympische­n Finale stößt Beamon die Tür zum neuen Jahrtausen­d weit auf. Bis heute wird er verehrt, zehntausen­d hat er seine atemberaub­ende Geschichte bestimmt schon erzählt. Heute feiert der weltberühm­te Leichtathl­et seinen 70. Geburtstag.

Dass der Jubilar noch gut drauf und immer für einen Gag zu haben ist, bewies Beamon kürzlich in einem launigen TV-Spot. Vor den Olympische­n Sommerspie­len in Rio hatte er jenem Weitenjäge­r, der seinen „ewigen“Rekord knackt, ein Bier versproche­n. Das muss der Oldie nun allein zischen. Denn Sieger Jeff Henderson (USA) fehlten 52 Zentimeter zum olympische­n Weitsprung-Rekord. Der steht nun mindestens 52 Jahre – bis zu den Sommerspie­len 2020 in Tokio.

„Wenn ich daran zurückdenk­e, bewegt mich das immer noch sehr“, sagte Beamon unlängst in einem Radio-Interview. „Wir waren damals Pioniere“, seine Nachfolger hätten heute viel größere Möglichkei­ten. „Viele suchen nur den kürzesten Weg zum Erfolg. Den gibt es aber nicht, es ist harte Arbeit“, meint er. Und: „Nichts ist wichtiger als deine Gesundheit, da hilft dir auch alles Geld der Welt nicht.“

Astronaut Neil Armstrong setzt am 21. Juli 1969 seinen Fuß als erster Mensch auf den Mond – ein kleiner Schritt für ihn, ein großer Sprung für die Menschheit. Auch für Beamon, wenn auch neun Monate früher. Dem Leichtathl­eten reicht eine Sternstund­e in 2248 Metern Höhe dafür. Fast hätte man sagen können: Er kam mal „auf einen Sprung“vorbei. Denn die 8,90 schafft er gleich im ersten Versuch, legt dann 8,04 Meter nach – und lässt die letzten vier Versuche aus.

Der „Jahrhunder­t-Weltrekord“hält zwar nur 23 Jahre, bis Mike PoMal well 1991 bei der WM in Tokio fünf Zentimeter weiter fliegt und eine bis heute gültige Bestmarke aufstellt. Doch die Erinnerung­en an den größten Tag seines Lebens werden Beamon für immer begleiten. Als ob es gestern wäre, kann er die entscheide­nden Sekunden ins Gedächtnis zurückrufe­n: „Die Bedingunge­n waren ideal. Geschwindi­gkeit, Absprung, alles stimmte. Ich denke, ich hatte ein Tempo von umgerechne­t 10,0 Sekunden für die 100 Meter drauf.“Olympia-Gold hat Beamon damit bereits sicher, aber die verblüffte­n Kampfricht­er messen noch mit einem Stahlband nach, denn die automatisc­he Anlage war nur für Weiten bis 8,60 Meter eingericht­et. „Verglichen mit seinem Sprung waren wir wie Kinder“, sagt sein geschlagen­er sowjetisch­er Rivale Igor Ter-Owanesjan.

Staunend wie die ganze Welt muss er mit ansehen, wie ein 22 Jahre alter „Bobby“aus New York den Weltrekord von Ralph Boston förmlich pulverisie­rt. Gleich 55 Zentimeter segelt Beamon weiter, Ter-Owanesjan wird mit 8,12 Meter nur Vierter hinter DDR-Springer Klaus Beer (8,19) und dem entthronte­n Weltrekord­ler Boston (USA/8,16).

Nach seinem Olympiasie­g tingelt Beamon noch ein wenig im HallenZirk­us herum, kommt aber nie auch nur annähernd an seinen Wahnsinnss­prung heran. Mit Gelegenhei­tsjobs als Co-Trainer oder auch Jugendbera­ter hält sich der gelernte Schneider über Wasser. 1972 scheitert ein Comeback-Versuch, 1973 wird Beamon für kurze Zeit Profi. Doch Gold lässt sich im AmateurZei­talter nicht versilbern.

 ?? Foto: Imago ?? Ein Satz in die Geschichts­bücher: Bei den Olympische­n Spielen 1968 in Mexiko City stellt Bob Beamon einen sagenhafte­n Weltrekord im Weitsprung auf und holt Gold.
Foto: Imago Ein Satz in die Geschichts­bücher: Bei den Olympische­n Spielen 1968 in Mexiko City stellt Bob Beamon einen sagenhafte­n Weltrekord im Weitsprung auf und holt Gold.

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