Augsburger Allgemeine (Land West)
Elektro-Autos fahren vor
E-Mobilität Höhere Reichweiten sollen für den Durchbruch sorgen
Paris
Benziner oder Diesel? Vieroder Sechszylinder? Und wie viel Leistung darf es sein? Generationen von Autokäufern haben sich darüber schon den Kopf zerbrochen. In der Zukunft aber, meinen Branchenkenner, werden sich ganz andere Fragen stellen. Allen voran die, wie weit es der neue Wagen mit einer Batterieladung schafft. Kilometer sind die neuen PS.
Glaubt man den Zukunftsszenarien auf dem Pariser Autosalon, wird der Deutsche die Beziehung zu seinem „liebsten Kind“bald überdenken müssen. Denn das Auto von morgen steuert sich nicht nur über weite Strecken selbst. Es besitzt auch keinen Verbrennungsmotor mehr, sondern wird elektrisch angetrieben – lautlos und abgasfrei. So weit, so gut, wäre da nicht die „Reichweitenangst“, wie sie Daimler-Technikchef Weber nennt. Sie sitzt tief bei den Deutschen, kam doch die erste Generation der Elektroautos kaum über Distanzen von 200 Kilometern hinaus.
Doch in Paris deuten sich Fortschritte an. Opel zeigt einen marktreifen Wagen, der
Energie für 500 Kilometer an Bord haben soll. Das ist die neue magische Grenze. Mercedes will in drei Jahren mit einem ebenso ausdauernden SUV starten. Volkswagen, nach dem Dieselskandal dankbar für jede Ablenkung, kündigt für 2020 eine Art Golf der Zukunft an – dann mit einer Reichweite, wie sie bislang den in Ungnade gefallenen Selbstzündern vorbehalten war.
Ob die ausgereifte Technik den Durchbruch bringt für die Elektroautos? Da sind sich die Hersteller nicht einig. Sie wollen die Zukunft jedenfalls nicht allein den Ökomobilen überlassen. Die guten alten PSProtze sind in Paris auch wieder dabei. Sie parken nur etwas weiter hinten.
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Wenn schon Steuergeld, dann für die Infrastruktur
Die wenigsten Deutschen können sich vorstellen, ein Elektroauto in ihrer Garage zu haben. Es gibt schließlich genügend Gründe dagegen: Den Stromern geht schnell der Saft aus. Die Versorgung mit Ladestationen ist dürftig. Alternativ angetriebene Autos kosten oft mehr als vergleichbare Benziner oder Diesel.
Alles richtig, oder besser gesagt: noch richtig. Die Gegenwart dominiert nach wie vor der Verbrennungsmotor, aber die Zukunft gehört der E-Maschine. Die Frage ist nicht ob, sondern wann der Generationswechsel kommt – und wie viele Jahre oder Jahrzehnte es dauert, bis ein nennenswerter Teil der Flotte elektrisiert ist.
Die mickrigen Zulassungszahlen, von Elektro-Skeptikern gerne ins Feld geführt, taugen nur bedingt als Argument. In einem so vielfältigen und gesättigten Fahrzeugmarkt wie Deutschland tut sich jede alternative Technik schwer, Anteile zu erobern. Es stimmt ja: maximal zwei von hundert Autos sind derzeit elektrisch unterwegs. Eine angeborene Abneigung der Deutschen gegen die Technologie lässt sich daraus jedoch nicht konstruieren. Der wahre Grund für die Zurückhaltung ist trivialer: Das Angebot passt einfach nicht.
Umso wichtiger, dass die Industrie aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Endlich finden die Hersteller in die Spur. Sie übertreffen sich auf dem Pariser Autosalon gegenseitig mit E-Modellen und -Studien. Erstmals führen Öko-Autos auf einer Branchenmesse kein Nischendasein, sondern ihnen gehört die große Bühne.
Gerade die deutschen Autobauer fühlen sich wie Pioniere. Die PSfixierte Clique sieht ausgerechnet in der Ökologie ihre Chance. Die Produzenten demonstrieren, dass sie ihre Hausaufgaben machen. So knacken die neuesten Modelle etwa von Opel die magische 500-Kilometer-Marke, zumindest in der Theorie. Zwar belegen Studien, dass der Deutsche im Schnitt täglich nicht mehr als 30 Kilometer unterwegs ist. Aber das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, das ein voller Benzintank garantiert, will man eben auch im Elektro-Zeitalter nicht missen. Selbst die Preise bewegen sich in die richtige Richtung. So soll der nächste ElektroGolf nicht teurer sein als sein Sprit konsumierender Bruder.
Während die Hersteller also – besser spät als nie – in Tritt kommen, macht die Politik keine glückliche Figur. Die Koalition hat mit dem willkürlich gesetzten Ziel von einer Million Elektroautos auf deutschen Straßen bis 2020 ohne Not einen wenig hilfreichen Druck erzeugt. Es folgte die Elektroprämie, die ihre Berechtigung bislang schuldig bleibt. Über die staatliche Bezuschussung von Neuwagenkäufen freut sich in erster Linie die in Geld schwimmende Industrie.
Solche Fehler dürfen sich nicht wiederholen. Wenn schon der Steuerzahler für die automobile Wende aufkommen soll, dann muss das Geld in den Ausbau der Infrastruktur fließen. Was spricht dagegen, an öffentlichen Plätzen Ladestationen einzurichten, an denen Autos übergangsweise sogar kostenlos tanken können? Und warum sollten emissionsfreie, leise Pkw in Innenstädten keine Privilegien wie spezielle Fahrspuren oder Parkplätze genießen?
Sofern der politische Wille dafür wirklich vorhanden ist, lässt sich eine solche Starthilfe einfach umsetzen. Die ungleich schwierigere Aufgabe heißt Energiewende. Ein batteriebetriebenes Auto verdient nur das Prädikat „ökologisch wertvoll“, wenn der Strom aus regenerativen Quellen erzeugt wird. Das wird teuer; das muss die Gesellschaft wollen. Es reicht nicht, mit dem Finger auf die Autoindustrie zu zeigen. Wie sagte Daimler-Chef Zetsche in Paris: „Wir sind bereit, wenn ihr es seid.“