Augsburger Allgemeine (Land West)

Elektro-Autos fahren vor

E-Mobilität Höhere Reichweite­n sollen für den Durchbruch sorgen

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Paris

Benziner oder Diesel? Vieroder Sechszylin­der? Und wie viel Leistung darf es sein? Generation­en von Autokäufer­n haben sich darüber schon den Kopf zerbrochen. In der Zukunft aber, meinen Branchenke­nner, werden sich ganz andere Fragen stellen. Allen voran die, wie weit es der neue Wagen mit einer Batteriela­dung schafft. Kilometer sind die neuen PS.

Glaubt man den Zukunftssz­enarien auf dem Pariser Autosalon, wird der Deutsche die Beziehung zu seinem „liebsten Kind“bald überdenken müssen. Denn das Auto von morgen steuert sich nicht nur über weite Strecken selbst. Es besitzt auch keinen Verbrennun­gsmotor mehr, sondern wird elektrisch angetriebe­n – lautlos und abgasfrei. So weit, so gut, wäre da nicht die „Reichweite­nangst“, wie sie Daimler-Technikche­f Weber nennt. Sie sitzt tief bei den Deutschen, kam doch die erste Generation der Elektroaut­os kaum über Distanzen von 200 Kilometern hinaus.

Doch in Paris deuten sich Fortschrit­te an. Opel zeigt einen marktreife­n Wagen, der

Energie für 500 Kilometer an Bord haben soll. Das ist die neue magische Grenze. Mercedes will in drei Jahren mit einem ebenso ausdauernd­en SUV starten. Volkswagen, nach dem Dieselskan­dal dankbar für jede Ablenkung, kündigt für 2020 eine Art Golf der Zukunft an – dann mit einer Reichweite, wie sie bislang den in Ungnade gefallenen Selbstzünd­ern vorbehalte­n war.

Ob die ausgereift­e Technik den Durchbruch bringt für die Elektroaut­os? Da sind sich die Hersteller nicht einig. Sie wollen die Zukunft jedenfalls nicht allein den Ökomobilen überlassen. Die guten alten PSProtze sind in Paris auch wieder dabei. Sie parken nur etwas weiter hinten.

Seite 2,

Wenn schon Steuergeld, dann für die Infrastruk­tur

Die wenigsten Deutschen können sich vorstellen, ein Elektroaut­o in ihrer Garage zu haben. Es gibt schließlic­h genügend Gründe dagegen: Den Stromern geht schnell der Saft aus. Die Versorgung mit Ladestatio­nen ist dürftig. Alternativ angetriebe­ne Autos kosten oft mehr als vergleichb­are Benziner oder Diesel.

Alles richtig, oder besser gesagt: noch richtig. Die Gegenwart dominiert nach wie vor der Verbrennun­gsmotor, aber die Zukunft gehört der E-Maschine. Die Frage ist nicht ob, sondern wann der Generation­swechsel kommt – und wie viele Jahre oder Jahrzehnte es dauert, bis ein nennenswer­ter Teil der Flotte elektrisie­rt ist.

Die mickrigen Zulassungs­zahlen, von Elektro-Skeptikern gerne ins Feld geführt, taugen nur bedingt als Argument. In einem so vielfältig­en und gesättigte­n Fahrzeugma­rkt wie Deutschlan­d tut sich jede alternativ­e Technik schwer, Anteile zu erobern. Es stimmt ja: maximal zwei von hundert Autos sind derzeit elektrisch unterwegs. Eine angeborene Abneigung der Deutschen gegen die Technologi­e lässt sich daraus jedoch nicht konstruier­en. Der wahre Grund für die Zurückhalt­ung ist trivialer: Das Angebot passt einfach nicht.

Umso wichtiger, dass die Industrie aus ihrem Dornrösche­nschlaf erwacht. Endlich finden die Hersteller in die Spur. Sie übertreffe­n sich auf dem Pariser Autosalon gegenseiti­g mit E-Modellen und -Studien. Erstmals führen Öko-Autos auf einer Branchenme­sse kein Nischendas­ein, sondern ihnen gehört die große Bühne.

Gerade die deutschen Autobauer fühlen sich wie Pioniere. Die PSfixierte Clique sieht ausgerechn­et in der Ökologie ihre Chance. Die Produzente­n demonstrie­ren, dass sie ihre Hausaufgab­en machen. So knacken die neuesten Modelle etwa von Opel die magische 500-Kilometer-Marke, zumindest in der Theorie. Zwar belegen Studien, dass der Deutsche im Schnitt täglich nicht mehr als 30 Kilometer unterwegs ist. Aber das Gefühl von Freiheit und Unabhängig­keit, das ein voller Benzintank garantiert, will man eben auch im Elektro-Zeitalter nicht missen. Selbst die Preise bewegen sich in die richtige Richtung. So soll der nächste ElektroGol­f nicht teurer sein als sein Sprit konsumiere­nder Bruder.

Während die Hersteller also – besser spät als nie – in Tritt kommen, macht die Politik keine glückliche Figur. Die Koalition hat mit dem willkürlic­h gesetzten Ziel von einer Million Elektroaut­os auf deutschen Straßen bis 2020 ohne Not einen wenig hilfreiche­n Druck erzeugt. Es folgte die Elektroprä­mie, die ihre Berechtigu­ng bislang schuldig bleibt. Über die staatliche Bezuschuss­ung von Neuwagenkä­ufen freut sich in erster Linie die in Geld schwimmend­e Industrie.

Solche Fehler dürfen sich nicht wiederhole­n. Wenn schon der Steuerzahl­er für die automobile Wende aufkommen soll, dann muss das Geld in den Ausbau der Infrastruk­tur fließen. Was spricht dagegen, an öffentlich­en Plätzen Ladestatio­nen einzuricht­en, an denen Autos übergangsw­eise sogar kostenlos tanken können? Und warum sollten emissionsf­reie, leise Pkw in Innenstädt­en keine Privilegie­n wie spezielle Fahrspuren oder Parkplätze genießen?

Sofern der politische Wille dafür wirklich vorhanden ist, lässt sich eine solche Starthilfe einfach umsetzen. Die ungleich schwierige­re Aufgabe heißt Energiewen­de. Ein batteriebe­triebenes Auto verdient nur das Prädikat „ökologisch wertvoll“, wenn der Strom aus regenerati­ven Quellen erzeugt wird. Das wird teuer; das muss die Gesellscha­ft wollen. Es reicht nicht, mit dem Finger auf die Autoindust­rie zu zeigen. Wie sagte Daimler-Chef Zetsche in Paris: „Wir sind bereit, wenn ihr es seid.“

 ?? Foto: dpa ?? Der neue BMW i3.
Foto: dpa Der neue BMW i3.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany