Augsburger Allgemeine (Land West)
Diesen Frieden will das Volk nicht
Kolumbien Äußerst knappe Mehrheit lehnt den Vertrag mit den Rebellen ab. Wie geht es weiter?
Asuncion
Ein gespaltenes Kolumbien hat sich mit knappster Mehrheit gegen einen Frieden mit der Farc-Guerilla ausgesprochen. An einem regnerischen Tag ging nur ein Drittel der Wahlberechtigten zur Stimmabgabe. Davon entschieden sich 50,21 Prozent gegen den von Regierung und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens ausgehandelten Friedensvertrag, und nur 49,78 Prozent waren dafür. Erst am 26. September war der Friedensvertrag nach über vier Jahren schwieriger Verhandlungen im Beisein von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und zahlreichen ausländischen Staatsgästen unterzeichnet worden.
Das Resultat, das manche Kommentatoren mit dem „Brexit“verglichen, stellt die ehemaligen Kriegsparteien vor ein enormes Legitimitätsproblem: Entweder setzen sie sich – unter welchen legalen Vorwänden auch immer – über das Votum des Volkes hinweg, oder sie drehen das Rad der Geschichte zurück und bekriegen sich weiterhin gnadenlos. In dem vor 52 Jahren begonnenen Bürgerkrieg starben 220 000 Menschen, sechs Millionen wurden vertrieben, acht Millionen Opfer gibt es insgesamt.
Während in den vom Bürgerkrieg besonders betroffenen, ländlichen Regionen das „Ja“zum Teil mit 70 Prozent deutlich überwog, stimmte vor allem die vom Krieg wenig betroffene Stadtbevölkerung dagegen – mit Ausnahme der Hauptstadt Bogota. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt in Städten.
Nicht einmal die erste öffentliche Waffenvernichtung durch die Uno am Samstag oder die Ankündigung der Farc, ihr Vermögen offenzulegen, konnten die Stimmung noch entscheidend drehen. Dass fast zwei Drittel der Wahlberechtigten erst gar nicht an die Urnen gingen, lag zum einen an dem sehr komplexen, knapp 300 Seiten langen Vertrag, den viele nicht verstanden. Zum anderen hat die zu Korruption und Vetternwirtschaft neigende politische Elite in dem von großer sozialer Ungleichheit geprägten Land seit langem das Vertrauen der Wähler verloren. Außerdem war der emotionsgeladene Diskurs der Friedensgegner – darunter zahlreiche dubiose Kriegsprofiteure – eingängiger als die Argumente der Befürworter.
Als sich die Wahlniederlage des Friedens abzeichnete, twitterte der Anführer der Farc, Timoleón Jiménez alias Timochenko, die Guerilla sei weiterhin gewillt, Frieden zu schließen und das Wort gegen Waffen zu tauschen. Präsident Juan Manuel Santos, der umgehend eine Krisensitzung anberaumte, erklärte, es gäbe einen Plan B und er wolle an der vereinbarten Waffenruhe festhalten. „Ich gebe nicht auf und werde bis zum Ende meines Mandats den Frieden suchen“, sagte er.