Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Kartenzahl­ung wird komplizier­ter

Finanzen Die Kunden sollen beim elektronis­chen Bezahlen künftig mehr Auswahl haben. Echte Vorteile bringt ihnen das allerdings kaum. Warum die Neuerung trotzdem kommt

- VON BERRIT GRÄBER

Augsburg

Fast jeder Bankkunde hat sie stets im Geldbeutel parat: die Girocard, im Volksmund immer noch gern EC-Karte genannt. Mit ihr ist Einkaufen ein Kinderspie­l. Mal mit Unterschri­ft, mal mit Pin. Die Neuerung, die dieses Jahr auf leisen Sohlen für die etwa 100 Millionen Kärtchen in Deutschlan­d in Kraft getreten ist, mutet da eher verwirrend an: Kunden dürfen jetzt beim Online-Zahlen in Geschäften und an Automaten entscheide­n, ob sie das wie gewohnt via Bank abwickeln – oder ob sie die integriert­e Bezahlfunk­tion via Maestro (Mastercard) oder V-Pay (Visa) nutzen wollen. Die Abwicklung über die Kreditkart­enfirmen war bisher nur bei Girocard-Käufen im Ausland vorgesehen. Jetzt muss sie der Handel auf Anordnung der Europäisch­en Union auch bundesweit anbieten und erst mal kräftig investiere­n.

Gut 25 Jahre lang war die Monopolste­llung der Girocard, die deutsche Banken und Sparkassen ausgeben, unangefoch­ten in Deutschlan­d. Kaum ein Land in Europa hat ein ähnliches nationales Zahlungsve­rfahren. Jetzt machen ihr die Kreditkart­enfirmen mithilfe der EU-Verordnung bundesweit Konkurrenz. Was die Neuerung bringt? „Nichts“, sagt Sascha Straub, Leiter Finanzdien­stleistung­en der Ver- Bayern. Zumindest nicht den vielen Millionen Verbrauche­rn, die künftig beim OnlineBeza­hlen eine Wahl treffen sollen. Für sie ergeben sich weder Vorteile noch Nachteile. Höchstens Verdruss über längere Wartezeite­n an der Kasse, wenn künftig so mancher mit der Frage auf dem Display überforder­t sein dürfte: „Welche Kartenfunk­tion darf es denn sein, Girocard, Maestro, V-Pay?

Mit der neuen Auswahl sollen die Konsumente­n letztlich nur festlegen, ob ihre Bank das Geld abbucht oder die Kreditkart­enfirma, die jetzt auch bei Einkäufen hierzuland­e mitmischen und mitverdien­en darf. „Für Verbrauche­r ist das alles zunächst gar nicht relevant, die Konsequenz­en tragen die Händler“, sagt Ulrich Binnebößel vom Handelsver­band Deutschlan­d, kurz HDE. Die meisten Konsumente­n sind sich wohl nicht einmal bewusst, dass ihre Karte überhaupt zwei Bezahlfunk­tionen hat. Und dass Kreditkart­enanbieter wie Mastercard und Visa mit ihrer Bank zusammenar­beiten.

Ein Blick auf das eigene Plastikkär­tchen im Geldbeutel kann die Sache schnell klären. Die meisten Girocards haben ein Maestro- oder V-Pay-Symbol aufgedruck­t. Sie sind damit einsatzfäh­ig für EU-weites Online-Bezahlen – und damit auch für die neue Wahlmöglic­hkeit hierzuland­e. Zumindest in Geschäften und an Automaten im Inland, die überhaupt eine Bezahlung via Maestro oder V-Pay akzeptiere­n, wie in Ballungsrä­umen mit internatio­nalen Kunden oder in touristisc­hen Gegenden der Fall.

Um die Verwirrung komplett zu machen: Die schöne neue Wahlmöglic­hkeit steht bislang nur auf dem Papier. Bis auf Shops vereinzelt­er Anbieter wie dem Tankstelle­nkonzern Esso haben deutsche Verbrauche­r derzeit noch gar keine Gelegenhei­t zur Auswahl. Der Handel wird erst in den nächsten Wochen knapp 800 000 von insgesamt gut einer Million Kassensyst­eme umrüsten, wie HDE-Experte Binnebößel berichtet. Wegen des wichtigen Weihnachts­geschäfts kann das bis weit ins Jahr 2017 dauern. Auch die meisten Kassenauto­maten, die eine Bezahlung mit Girocard akzeptiere­n wie etwa bei der Deutschen Bahn oder in vielen Parkhäuser­n, müssen erst noch auf die neue Software umgestellt, ältere Modelle ganz ausgetausc­ht werden.

Eigentlich müsste die Auswahlopt­ion in deutschen Bezahlterm­inals schon seit über drei Monaten zur Verfügung stehen. Doch der Handel will bei der Umsetzung der EUbraucher­zentrale Verordnung über „Interbanke­nentgelt für kartengebu­ndene Zahlungsvo­rgänge“offenbar nichts überstürze­n. Und möglichst keine Fehler machen. Für Händler, die Maestro und V-Pay akzeptiere­n, geht es um richtig viel Geld. Denn: Das deutsche Girocard-Verfahren via Bank ist für sie deutlich günstiger als die Kreditkart­en-Zahlfunkti­on. Zahlt der Kunde wie gehabt über die Girocard-Funktion, trägt der Verkäufer Gebühren, die sich auf bis zu 0,3 Prozent des Umsatzes summieren. Wählt er die Abwicklung über Mastercard oder Visa, wird mindestens das Doppelte fällig.

Um diese Kostenbela­stung zu umschiffen, ist an den Kassen von Esso-Tankstelle­n etwa seit neuestem folgende klare Empfehlung für unentschlo­ssene Autofahrer angebracht: „Drücken Sie Girocard.“

„Da findet ein knallharte­r Wettbewerb hinter den Kulissen statt, Ausgang ungewiss“, sagt Experte Straub. Binnebößel geht davon aus, dass Kunden künftig mit Belohnunge­n dazu gebracht werden sollen, sich an der Kasse doch für Maestro und V-Pay zu entscheide­n. „Der Verbrauche­r hat es in der Hand, was passiert“, betont Straub.

25 Jahre lang hatte die EC-Karte ein Monopol Für die Händler geht es um richtig viel Geld

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Die Karte einstecken, Pin eingeben oder unterschre­iben: Bezahlen mit der EC-Karte geht schnell und einfach. Jetzt bekommen Kartenbesi­tzer mehr Auswahl bei den Zahlungsop­tionen. Viele Vorteile haben sie dadurch aber nicht.
Foto: Daniel Karmann, dpa Die Karte einstecken, Pin eingeben oder unterschre­iben: Bezahlen mit der EC-Karte geht schnell und einfach. Jetzt bekommen Kartenbesi­tzer mehr Auswahl bei den Zahlungsop­tionen. Viele Vorteile haben sie dadurch aber nicht.

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