Augsburger Allgemeine (Land West)

Plötzlich fehlt der Anhänger

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Jeder kennt es: Das unangenehm­e Gefühl, wenn etwas verloren gegangen ist. „Wo ist der Schlüssel?“– routiniert­er Griff in die Hosentasch­e – kein Schlüssel da. Schock. Panik bricht aus, das Herz rutscht in die Hose, kalter Schweiß steht auf der Stirn, der Blutdruck steigt und die Gedanken rasen. Hektisch werden die Wohnung auf den Kopf gestellt, Verwandte und Freunde angerufen und fieberhaft nachgedach­t. Hilft aber nichts, der Schlüssel bleibt weg – viel zu oft.

Jeder hat so etwas schon erlebt. Jüngst auch ich. Bei mir war es kein Schlüssel, sondern eine silberne Kette. Ein Geschenk von einer meiner Schwestern. Seit über sieben Jahren trug ich sie fast täglich um den Hals – bis letzte Woche. Als ich am Sonntag das gute Stück abends ablegen will, ist der Anhänger weg. Schock. Panik bricht aus, Herz in der Hose – das volle Programm.

Unter der Woche verfolgt mich der Verlust. Wann immer meine Hände bis dahin Beschäftig­ung gebraucht hatten, war der Griff gezielt zur Kette gegangen – beim Nachdenken, bei Langeweile, aus Routine. Und jetzt? Jedes Mal ein kleiner Schock. Panik bricht aus, Herz in der Hose. Bis es mir wieder bewusst wird: Sie ist ja nicht mehr da. Zuhause durchsuche­n die Eltern das Haus, die Freundin durchforst­et die Geschäfte heimlich schon nach einem Ersatz und ich zerbreche mir den Kopf, wo der Anhänger liegen könnte. Doch am Mittwoch folgt der nächste Schritt: Resignatio­n. Ich finde mich damit ab: Der Anhänger bleibt weg.

Geknickt trete ich am Freitag die Fahrt in die Heimat an. Dort angekommen wasche ich lustlos die Wäsche. Plötzlich ein leises Klimpern. Das Herz hüpft, die Finger zittern. Da ist er wieder, der silberne Anhänger, eine Woche verscholle­n im alten Pullover. Ein gutes Gefühl. In der Freude schießt es mir durch den Kopf: „Trotzdem gut, dass es nicht der Schlüssel war.“

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Foto: drubig-photo, Fotolia Wer kennt es nicht: das Schockgefü­hl, wenn man glaubt, seinen Schlüssel verloren zu haben.

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