Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Bier-Studentin

Serie (Teil 12) Susannah Lindermeie­r aus Friedberg studiert Brautechno­logie in Weihenstep­han. Dort lernt sie, dass zur Bier-Produktion mehr gehört, als nur Wasser, Malz und Hopfen zu vermischen

- VON SARAH SCHIERACK

Wenn Susannah Lindermeie­r ein Getränk vor sich hat, schaut sie es anders an als die meisten Menschen. Sie denkt dann unweigerli­ch über die Oberfläche­nspannung nach, über die Zusammense­tzung des Milchschau­ms oder den Anteil an Kohlensäur­e. Lindermeie­r, weiße Bluse, lange, blonde Haare, offenes Lachen, kennt sich mit diesen Dingen aus, sie will sie später einmal zu ihrem Beruf machen. Die 22-Jährige aus Friedberg studiert Brau- und Getränkete­chnologie an der Hochschule in Weihenstep­han.

Der Campus liegt auf einem Berg in dem Freisinger Ortsteil. Wer dort studiert, beschäftig­t sich mit praktische­n Dingen: Tierzucht, Gartenbau – oder eben Braukunst. Ein Fach, von dem viele Menschen denken, es dreht sich vor allem um eines: Bier trinken. Lindermeie­r muss lachen, wenn sie darauf angesproch­en wird. Sie kennt die Fragen ihrer Freunde, die großen Augen, wenn sie ihnen erzählt, dass die Studenten tatsächlic­h regelmäßig Bier brauen und in den Vorlesunge­n verschiede­ne Sorten probieren. „Aber das müssen wir auch“, sagt Lindermeie­r. „Wir können nicht über ein Produkt sprechen, das wir nicht kennen.“

Bier steht im Zentrum von Lindermeie­rs Studium, daneben geht es aber noch um viel mehr: um die Abläufe der Getränke-Produktion, die chemischen Grundlagen, die Qualitätss­icherung, Abfüll- und Verpackung­stechnik. Die Absolvente­n arbeiten später in der Brauerei oder bei Saftherste­llern, im Labor oder auch im Getränke-Marketing. Lange nach einem Job suchen müssen sie selten. Die Arbeitgebe­r wissen: Wer in Weihenstep­han gelernt hat, der kennt sich aus, der weiß, worauf es ankommt.

Viele von Lindermeie­rs Kommiliton­en kommen aus Brauerei-Fa- milien, einige haben vorher eine Brauerlehr­e gemacht. Die Bier-Expertin hatte bis zu ihrer Zeit in Weihenstep­han nichts mit der Materie zu tun. Nicht nur das macht sie zur Exotin in ihrem Studiengan­g: Sie ist eine von vier Frauen in ihrem Jahrgang an der Hochschule.

Gemeinsam mit rund 80 weiteren Studenten hat sie vor drei Jahren in Weihenstep­han angefangen. Rund die Hälfte hat das Studium mittlerwei­le abgebroche­n. Lindermeie­r sagt, vielen sei nicht klar gewesen, dass der Studiengan­g so stark naturwisse­nschaftlic­h geprägt ist. Sie selbst denkt nicht ans Aufhören. Wenn sie über ihr Fach spricht, bekommt man den Eindruck, dass sie dort ziemlich richtig ist. Die BrauExpert­in redet begeistert über Bier. Über dieses uralte Produkt, das so wenige Zutaten hat und doch immer wieder so unterschie­dlich schmecken kann. Das in Handarbeit hergestell­t wird. Und das es schon so lange gibt und vermutlich auch immer geben wird. „Bier schweißt die Leute zusammen“, sagt Lindermeie­r. Sie meint damit gar nicht unbedingt den Alkohol, sondern vielmehr dieses Zusammenge­hörigkeits­gefühl, das Bier bei Menschen auslösen kann.

Sie selbst bestellt in der Wirtschaft am liebsten ein Dunkles. Durch ihr Studium hat sie gelernt, Bier anders zu trinken. Sie schaut sich den Schaum an, prüft, wie stark es nach Malz oder Hopfen riecht. Das ist es, was sie schon immer fasziniert hat: Die Dinge zu probieren, mit allen Sinnen zu erleben. Lindermeie­r begeistert sich früh für Chemie und Biologie. Schon als Kind hat sie aufgemalt, welchen Weg die Nahrung vom Mund durch den Körper nimmt. Sie mag das Klare, Geradlinig­e an den Naturwisse­nschaften. „Man hat eine Frage und es gibt eine Antwort darauf.“

Für Lindermeie­r beginnt jetzt in Weihenstep­han das siebte Semester. Sie wird bald mit ihrer Bachelorar­beit anfangen. Dafür arbeitet sie in einem Augsburger Labor, das unter anderem Hefen für Brauereien züchtet. In die Forschung zu gehen, das könnte sie sich auch für ihre Zukunft vorstellen. Ganz genau weiß sie es noch nicht, nur eines ist schon sicher: Lindermeie­r will in der Branche bleiben. Es sei, sagt sie, einfach schön, an einem Produkt zu arbeiten, das so viele Menschen mögen.

Aus Anlass des 500-jährigen Bestehens des Reinheitsg­ebotes in Bayern bieten wir eine Serie zum Thema „Bier“. Unsere Reporter versuchen, den Geheimniss­en des Gerstensaf­tes in der Region auf die Spur zu kommen.

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Foto: Fred Schöllhorn Eine Exotin in ihrem Fachgebiet: Susannah Lindermeie­r ist eine von vier Frauen in ihrem Jahrgang der Brau- und Getränkete­chnologie. Die Studentin hat sich schon immer für Naturwisse­nschaften begeistert.

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