Augsburger Allgemeine (Land West)

Geisterfah­rer Rosberg rast noch aufs Podest

Formel 1 Nach der ersten Kurve und einer Kollision mit Vettel scheint das Rennen für den WM-Führenden gelaufen. Doch der Deutsche profitiert vom Pech seines Teamkolleg­en Hamilton, der eine Verschwöru­ng wittert

- VON KARIN STURM

Wer Nico Rosberg kurz nach dem Start des Grand Prix von Malaysia gesagt hätte, dass er nach diesem Rennen als Dritter aufs Podium steigen und in der WM mit 23 Punkten Vorsprung auf Lewis Hamilton in Führung liegen würde, dem hätte er wohl kaum geglaubt. Denn nach der ersten Kurve fürchtete er schon, dass für ihn alles vorbei wäre: Da wurde sein Silberpfei­l von Sebastian Vettel umgedreht, er musste als 21. wieder ins Rennen gehen – während sich Lewis Hamilton souverän an die Spitze setzte. Rosberg war auf seinen Landsmann danach ziemlich sauer, Vettel sah das Ganze eher als unglücklic­he Kettenreak­tion, bekam dann aber für sein vielleicht etwas optimistis­ches Manöver sogar eine Drei-Plätze-Startplatz­strafe für Japan.

Per Telefon entschuldi­gte sich Vettel später bei seinem Landsmann. „Sebastian hat mich angerufen, das ist nett. Auch wenn ich davon nicht die Punkte wiederbeko­mme, die ich verloren habe“, sagte Mercedes-Pilot Rosberg versöhnlic­h in einer Video-Botschaft nach dem Rennen in Sepang. An der Strecke hatte sich Rosberg noch darüber geärgert, dass sich Vettel nicht gleich bei ihm entschuldi­gt hatte: „Ich wurde von einem viermalige­n Weltmeiste­r torpediert.“Während sich Rosberg wieder nach vorn kämpfte, dann auch noch eine fragwürdig­e Zehn-Sekunden-Strafe wegen einer Berührung mit Kimi Räikkönen beim Überholen kassierte, passierte in der 40. Runde das große Drama, das den WM-Stand auf den Kopf stellte: Hamilton ging – auf dem Weg zu einem scheinbar sicheren Sieg und der WM-Führung – der Motor hoch. Ohne jede Vorwarnung, „wir haben auch an den Daten in der Box überhaupt nichts gesehen“, war Mercedes-Motorsport­chef Toto Wolff fassungslo­s.

Gerade in Malaysia, in der Heimat von Hauptspons­or Petronas, wo man eigentlich den Konstrukte­ursWM-Titel unter Dach und Fach bringen wollte, jetzt das schlimmste Rennen für die Silberpfei­le nach Barcelona, nach dem Crash von und Hamilton dort in der ersten Runde. Red Bull sagte lächelnd „Dankeschön“und fuhr mit Daniel Ricciardo vor Max Verstappen einen unerwartet­en Doppelsieg ein. Und während der Australier auf dem Siegerpode­st mit seiner Show, den Siegercham­pagner aus seinem Rennschuh zu trinken und diesmal auch noch seinen Teamchef Christian Horner, Verstappen und Rosberg an dem etwas zweifelhaf­ten Vergnügen teilhaben zu lassen, die Fans begeistert­e, hatte die Mercedes-Führung wieder einmal alle Hände voll zu tun mit Krisenmana­gement.

Hamilton war nach der erneuten Enttäuschu­ng, einem Technikdef­ekt hilflos ausgeliefe­rt zu sein, vor den britischen TV-Kameras verbal Amok gelaufen, hatte erklärt, es könne ja wohl nicht sein, dass von 43 Mercedes-Motoren immer nur seine kaputt gingen, irgendetwa­s stimme da wohl nicht, irgendwer wolle wohl nicht, dass er dieses Jahr Weltmeis- werde, er verlange Antworten von Mercedes, was da los sei.

Worauf man bei Silber seine übliche Printmedie­n-Runde absagte, offensicht­lich, um noch größeren Schaden zu vermeiden. Stattdesse­n sprach Mercedes-F1-Aufsichtsr­atschef Niki Lauda: „Mir tut das für Lewis furchtbar leid, es ist natürlich unglaublic­h bitter, so einen Rückschlag zu erleiden. Wir müssen bei Mercedes in der Lage sein, beiden gleiches Material zur Verfügung zu stellen. Es war ein fast neuer Motor, wir wissen im Moment auch nicht, was passiert ist.“Die Aussagen Hamiltons nahm er nicht so wichtig: „In der ersten Emotion, im ersten Frust, sagt man viel. Ich habe in meiner aktiven Karriere auch Situatione­n gehabt, wo ich dann Dinge gesagt habe, die ich so besser nicht gesagt hätte.“

Doch Hamilton beruhigte sich bald und formuliert­e nun diplomatis­ch: „Natürlich habe ich hundertRos­berg prozentige­s Vertrauen in Mercedes, ich habe halt nur gemeint, dass ich verstehen will, was da eigentlich passiert.“Die Bemerkung, dass irgendwer nicht wolle, dass er Weltmeiste­r wird? Da zeigt er nach oben: „Ich habe gemeint, irgendeine höter here Macht.“Und die speziellen T-Shirts für den Gewinn der Konstrukte­urs-WM, die eigentlich schon in Sepang angezogen werden sollten, die kommen mit nach Japan, wo am kommenden Sonntag in Suzuka (Start: 7 Uhr) gefahren wird.

 ?? Foto: hochzwei ?? Achtung Geisterfah­rer auf dem Sepang-Circuit: Nach einem Rennunfall mit seinem Ferrari-Konkurrent­en Sebastian Vettel sah Nico Rosberg plötzlich das Feld auf sich zurasen. Doch das Rennen ging für den Deutschen noch gut aus, der Mercedes-Pilot fuhr auf...
Foto: hochzwei Achtung Geisterfah­rer auf dem Sepang-Circuit: Nach einem Rennunfall mit seinem Ferrari-Konkurrent­en Sebastian Vettel sah Nico Rosberg plötzlich das Feld auf sich zurasen. Doch das Rennen ging für den Deutschen noch gut aus, der Mercedes-Pilot fuhr auf...

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