Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein warmes Bett für kalte Nächte

In der Region Augsburg gibt es wenige Unterkünft­e für Menschen, die auf der Straße leben. Die größte Herberge in der Region befindet sich in Schwabmünc­hen

- VON CHRISTIAN KRUPPE

Drei einfache Betten, ebensoviel­e Stahlspind­e und ein Tisch. So sind die beiden Schlafräum­e der Schwabmünc­hner Wärmestube ausgestatt­et. Auf einem dieser Betten sitzt Peter, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er sucht in seinem Seesack nach einer Flasche. „Desinfekti­onsmittel. Ganz wichtig,“sagt er. Er kennt sich aus in der Welt herumziehe­nder Menschen und schätzt ein Dach über dem Kopf, wie er es in Schwabmünc­hen vorfindet. Vor allem jetzt, wenn es nachts draußen schon sehr kühl wird.

Der 45-Jährige ist hager, aber zufrieden. Seit etwas mehr als zwei Jahren lebt er „auf der Platte“, zieht als Obdachlose­r durchs ganze Land. Neben seinem Seesack besitzt er auch noch einen Rucksack für seine Habseligke­iten. Der ist was Besonderes. Er hält ihn hoch. „G 7 Gipfel“steht drauf. „Den habe ich von einem Journalist­en bekommen, den ich im Zug kennengele­rnt habe. Tolle Qualität, das Ding,“erzählt er.

Neun Tage bleibt Peter in Schwabmünc­hen. Mehr Tage pro Monat dürfen Obdachlose nicht in der Wärmestube des Sozialverb­andes SKM bleiben. „Hier ist es schön,“sagt Peter. Neben den beiden Schlafräum­en im Dachgescho­ss gibt es zwei Aufenthalt­sräume, eine Küche, WC, Dusche und eine Waschmasch­ine.

Für Obdachlose ist dies die einzige derartige Unterkunft in Landkreis. In der Region gibt es Vergleichb­ares nur in der Stadt Augsburg mit 13 Schlafplät­zen. Vor 20 Jahren wurde, angetriebe­n vom ehemaligen Stadtpfarr­er Frank Faulhaber, in Schwabmünc­hen die Ortsgruppe des deutschlan­dweit tätigen katholisch­en Verbands für soziale Dienste (SKM) gegründet. Anfangs war die Wärmestube in den Räumen einer ehemaligen Bäckerei untergebra­cht und bot drei Gästen Platz.

Zur Jahrtausen­dwende konnte die Caritas in Schwabmünc­hen ein Gebäude direkt neben der Kirche erwerben und der SKM zog dort als Mieter ein. Seitdem stehen sechs Betten für „Durchreise­nde“, so werden die Obdachlose­n im Fachjargon genannt, zur Verfügung.

Als Besonderhe­it gibt es ein weiteres Zimmer, das vor allem „Wiedereins­teigern“zur Verfügung steht, wie Sozialpäda­gogin Petra Schad als deren Betreuerin erläu- „Wenn jemand von der Straße zurück in ein geregeltes Leben will, ist ein fester Wohnsitz wichtig.“Bis zu sechs Monate lässt sich dieses Zimmer mieten. Für den aktuellen Mieter Werner S. könnte es ein Happy End geben. Der Rentner möchte von der Straße weg und ist auf Wohnungssu­che. Ein Angebot hat er schon. Wenn alles gut geht, hat Werner S. bald einen festen Wohnsitz.

Auch wenn in Schwabmünc­hen eine nahezu einzigarti­ge Einrichtun­g steht, müssen die Obdachlose­n in den anderen Gemeinden nicht unter der Brücke schlafen. Im Landkreis Augsburg ist Herbert Richter für soziale Leistungen zuständig. „Die Gemeinden sind gesetzlich zur Unterbring­ung verpflicht­et,“erklärt er. Meist geschieht dies unter Mithilfe der Polizei. So war es bis 1996 auch in Schwabmünc­hen. Philipp Kraus vom SKM erinnert sich: „Früher bekamen die Obdachlose­n einen Essensguts­chein, den sie meist in der Gaststätte „Rosenau“einlösten. Im Lauf des Abends wurde die Polizei geholt und die brachte die dann in ein städtische­s Gebäude, wo sie schlafen konnten“. Doch von dieser Möglichkei­t machen die Obdachlose­n nur selten Gebrauch. „Die sind meist sehr gut organisier­t,“weiß Petra Schad. Oft melden sie sich in Schwabmünc­hen telefonisc­h an, um herauszufi­nden, ob ein Platz frei ist. „Sie wissen genau, wo sie wie lange bleiben dürfen, und planen dementspre­chend,“verrät Schad. Peter, der in ganz Deutschlan­d unterwegs ist, stimmt ihr zu. Dabei schränkt er aber ein: „Bayern ist schlecht“. Es gebe hier wenige gute Anlaufstel­len für Menschen wie ihn. „Uns will halt nicht jeder“, weiß er.

Auch sein Zimmernach­bar Wolf kennt wenig gute Adressen. „Alles ist weiter weg. Günzburg, Ulm, Kempten, Kaufbeuren, Fürstenfel­dbruck und Memmingen“, zählt er auf. Wobei manche Unterkünft­e mehr, manche weniger beliebt sind. Oft ist der Aufwand zu groß, dorthin zu kommen. Oder die erlaubte Aufenthalt­sdauer zu kurz.

Daher fehlt in der Aufzählung der beiden Männer Aichach und Friedberg. Klaus Stepper ist in Aichach für Obdachlose zuständig. „Wir hatert: ben ein Häuschen mit Platz für drei Bewohner,“klärt er auf. Drei Tage darf dort übernachte­t werden. „Die Obdachlose­n melden sich bei der Polizei, die verständig­t einen Hausmeiste­r, der sich dann um den weiteren Ablauf kümmert,“so Stepper. Ähnlich sieht es in Friedberg aus. Auf dem Baubetrieb­shof gibt es ein Zimmer samt Dusche für zwei Personen. Dort können Obdachlose bis zu drei Tagen pro Quartal bleiben.

„Wir haben daher viele Stammkunde­n,“weiß Petra Schad. Ab und an muss sie in Schwabmünc­hen auch auf besondere Umstände reagieren. Wenn ein Gast mit Hund, ein Pärchen oder eine alleinreis­ende Frau kommt, ist es nicht immer einfach. „Ob Hunde bei uns reindürfen wird individuel­l geregelt. Da werden auch die anderen Mitbewohne­r gefragt,“erklärt die Sozialpäda­gogin. Bei Pärchen und Frauen kommt es darauf an, ob Platz ist. Die sechs Betten in der Unterkunft verteilen sich auf zwei Räume. „Die bekommen ein eigenes Zimmer, aber dann fehlen uns ein oder zwei Plätze,“so Schad, die darauf setzt, dass sich diese Gäste vorher anmelden.

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Foto: Christian Kruppe Der obdachlose Peter in der Unterkunft des SKM in Schwabmünc­hen. Einen Seesack und ein Rucksack – mehr hat er nicht für seine Habseligke­iten.

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