Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein warmes Bett für kalte Nächte
In der Region Augsburg gibt es wenige Unterkünfte für Menschen, die auf der Straße leben. Die größte Herberge in der Region befindet sich in Schwabmünchen
Drei einfache Betten, ebensoviele Stahlspinde und ein Tisch. So sind die beiden Schlafräume der Schwabmünchner Wärmestube ausgestattet. Auf einem dieser Betten sitzt Peter, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er sucht in seinem Seesack nach einer Flasche. „Desinfektionsmittel. Ganz wichtig,“sagt er. Er kennt sich aus in der Welt herumziehender Menschen und schätzt ein Dach über dem Kopf, wie er es in Schwabmünchen vorfindet. Vor allem jetzt, wenn es nachts draußen schon sehr kühl wird.
Der 45-Jährige ist hager, aber zufrieden. Seit etwas mehr als zwei Jahren lebt er „auf der Platte“, zieht als Obdachloser durchs ganze Land. Neben seinem Seesack besitzt er auch noch einen Rucksack für seine Habseligkeiten. Der ist was Besonderes. Er hält ihn hoch. „G 7 Gipfel“steht drauf. „Den habe ich von einem Journalisten bekommen, den ich im Zug kennengelernt habe. Tolle Qualität, das Ding,“erzählt er.
Neun Tage bleibt Peter in Schwabmünchen. Mehr Tage pro Monat dürfen Obdachlose nicht in der Wärmestube des Sozialverbandes SKM bleiben. „Hier ist es schön,“sagt Peter. Neben den beiden Schlafräumen im Dachgeschoss gibt es zwei Aufenthaltsräume, eine Küche, WC, Dusche und eine Waschmaschine.
Für Obdachlose ist dies die einzige derartige Unterkunft in Landkreis. In der Region gibt es Vergleichbares nur in der Stadt Augsburg mit 13 Schlafplätzen. Vor 20 Jahren wurde, angetrieben vom ehemaligen Stadtpfarrer Frank Faulhaber, in Schwabmünchen die Ortsgruppe des deutschlandweit tätigen katholischen Verbands für soziale Dienste (SKM) gegründet. Anfangs war die Wärmestube in den Räumen einer ehemaligen Bäckerei untergebracht und bot drei Gästen Platz.
Zur Jahrtausendwende konnte die Caritas in Schwabmünchen ein Gebäude direkt neben der Kirche erwerben und der SKM zog dort als Mieter ein. Seitdem stehen sechs Betten für „Durchreisende“, so werden die Obdachlosen im Fachjargon genannt, zur Verfügung.
Als Besonderheit gibt es ein weiteres Zimmer, das vor allem „Wiedereinsteigern“zur Verfügung steht, wie Sozialpädagogin Petra Schad als deren Betreuerin erläu- „Wenn jemand von der Straße zurück in ein geregeltes Leben will, ist ein fester Wohnsitz wichtig.“Bis zu sechs Monate lässt sich dieses Zimmer mieten. Für den aktuellen Mieter Werner S. könnte es ein Happy End geben. Der Rentner möchte von der Straße weg und ist auf Wohnungssuche. Ein Angebot hat er schon. Wenn alles gut geht, hat Werner S. bald einen festen Wohnsitz.
Auch wenn in Schwabmünchen eine nahezu einzigartige Einrichtung steht, müssen die Obdachlosen in den anderen Gemeinden nicht unter der Brücke schlafen. Im Landkreis Augsburg ist Herbert Richter für soziale Leistungen zuständig. „Die Gemeinden sind gesetzlich zur Unterbringung verpflichtet,“erklärt er. Meist geschieht dies unter Mithilfe der Polizei. So war es bis 1996 auch in Schwabmünchen. Philipp Kraus vom SKM erinnert sich: „Früher bekamen die Obdachlosen einen Essensgutschein, den sie meist in der Gaststätte „Rosenau“einlösten. Im Lauf des Abends wurde die Polizei geholt und die brachte die dann in ein städtisches Gebäude, wo sie schlafen konnten“. Doch von dieser Möglichkeit machen die Obdachlosen nur selten Gebrauch. „Die sind meist sehr gut organisiert,“weiß Petra Schad. Oft melden sie sich in Schwabmünchen telefonisch an, um herauszufinden, ob ein Platz frei ist. „Sie wissen genau, wo sie wie lange bleiben dürfen, und planen dementsprechend,“verrät Schad. Peter, der in ganz Deutschland unterwegs ist, stimmt ihr zu. Dabei schränkt er aber ein: „Bayern ist schlecht“. Es gebe hier wenige gute Anlaufstellen für Menschen wie ihn. „Uns will halt nicht jeder“, weiß er.
Auch sein Zimmernachbar Wolf kennt wenig gute Adressen. „Alles ist weiter weg. Günzburg, Ulm, Kempten, Kaufbeuren, Fürstenfeldbruck und Memmingen“, zählt er auf. Wobei manche Unterkünfte mehr, manche weniger beliebt sind. Oft ist der Aufwand zu groß, dorthin zu kommen. Oder die erlaubte Aufenthaltsdauer zu kurz.
Daher fehlt in der Aufzählung der beiden Männer Aichach und Friedberg. Klaus Stepper ist in Aichach für Obdachlose zuständig. „Wir hatert: ben ein Häuschen mit Platz für drei Bewohner,“klärt er auf. Drei Tage darf dort übernachtet werden. „Die Obdachlosen melden sich bei der Polizei, die verständigt einen Hausmeister, der sich dann um den weiteren Ablauf kümmert,“so Stepper. Ähnlich sieht es in Friedberg aus. Auf dem Baubetriebshof gibt es ein Zimmer samt Dusche für zwei Personen. Dort können Obdachlose bis zu drei Tagen pro Quartal bleiben.
„Wir haben daher viele Stammkunden,“weiß Petra Schad. Ab und an muss sie in Schwabmünchen auch auf besondere Umstände reagieren. Wenn ein Gast mit Hund, ein Pärchen oder eine alleinreisende Frau kommt, ist es nicht immer einfach. „Ob Hunde bei uns reindürfen wird individuell geregelt. Da werden auch die anderen Mitbewohner gefragt,“erklärt die Sozialpädagogin. Bei Pärchen und Frauen kommt es darauf an, ob Platz ist. Die sechs Betten in der Unterkunft verteilen sich auf zwei Räume. „Die bekommen ein eigenes Zimmer, aber dann fehlen uns ein oder zwei Plätze,“so Schad, die darauf setzt, dass sich diese Gäste vorher anmelden.