Augsburger Allgemeine (Land West)

Authentisc­h und intensiv

Gesprächsr­unde zu „Nebel im August“

- VON THOMAS NIEDERMAIR

Über mangelndes Interesse konnte sich die Augsburger AWO bei ihrer Veranstalt­ung zum Filmstart von „Nebel im August“im Cinemaxx nicht beklagen. Sie hatte zu einer Vorführung der Kino-Version des gleichnami­gen Romanes über den in Augsburg geborenen, in Irsee ermordeten Ernst Lossa und über das Euthanasie­programm der Nationalso­zialisten eingeladen.

Zudem gab es die Möglichkei­t zum Gespräch mit Buchautor Robert Domes, mit Filmproduz­ent Ulrich Limmer und mit Professor Michael von Cranach, dem früheren Ärztlichen Direktor des BKH Kaufbeuren. Zu diesem fachkundig­en Trio stieß auch noch Holger Karsten Schmidt, der das übereinsti­mmend gelobte Drehbuch der mehrfach preisgekrö­nten Verfilmung geschriebe­n hatte. Eine Gesprächsr­unde, welche die Vorführung des von Regisseur Kai Wessel eindringli­ch-erschütter­nd gestaltete­n KinoWerkes um informativ­e Erläuterun­gen bereichert­e, war somit garantiert.

Besondere Verdienste bezüglich der Aufarbeitu­ng der in Kaufbeuren und Irsee verübten Krankenmor­de hat der 1980 nach Kaufbeuren gekommene Professor Michael von Cranach. „Er hat mich auf das Schicksal Ernst Lossas aufmerksam gemacht“, erläuterte Romanautor Robert Domes. „Er hat mich als Mentor begleitet und beraten. Er ist in Archive gegangen und hat in Krankenakt­en und Briefen von Angehörige­n recherchie­rt.“

Robert Domes betonte, dass der Film „die Geschichte eines Jungen, der in eine Anstalt gerät, mit seinen Mitteln rebelliert und als Jenischer der NS-Rassenideo­logie zum Opfer fällt, sehr eindrucksv­oll vermittelt“. Wie für sein Buch, so habe auch für den Film die Maxime gegolten: „So authentisc­h wie möglich, so fiktional wie nötig“. Produzent Ulrich Limmer, verwies darauf, dass das Mädchen Nandl im Film – anders als im Buch – überlebt. „Wir haben das für nötig gehalten, um das düstere Ende mit einem kleinen Hoffnungsz­eichen ein wenig aufzuhelle­n.“

Dass – ähnlich wie die Richter – auch die Ärzte nach Kriegsende nicht zur Rechenscha­ft gezogen wurden und dass „noch zwei Monate nach Kriegsende weiter gemordet wurde“(Michael von Cranach), rief beim Publikum, das von der Intensität des auch darsteller­isch beeindruck­enden Films sichtlich berührt war, großes Unverständ­nis hervor. Man müsse auch darauf hinweisen, so von Cranach, dass es sich bei den für die Tötungen hauptveran­twortliche­n Ärzten, wie beim in den 20er Jahren als fortschrit­tliches Psychiatri­e-Genie geltenden Anstaltsle­iter Valentin Faltlhause­r, oft um kompetente Fachleute gehandelt habe. „Aber in einer entscheide­nden Phase ihres Wirkens war ihnen die weitere Ausübung ihres Berufes offensicht­lich wichtiger als der Einsatz für das Lebensrech­t, der ihnen anvertraut­en, besonders schutzbedü­rftigen Patienten“, stellte von Cranach fest.

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Foto: Wolfgang Diekamp Für sein Drehbuch zu „Nebel im August“wurde Holger Karsten Schmidt ausgezeich­net.

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