Augsburger Allgemeine (Land West)

Zoll nutzt neue Taktik im Kampf gegen Schwarzarb­eit

Wirtschaft Beamte kontrollie­ren weniger Firmen, dafür suchen sie die dicken Fische. Ist das die richtige Strategie? Gewerkscha­fter fürchten, dass die Ausbeutung von Mitarbeite­rn zunimmt – ein Beispiel seien die Reinigungs­firmen

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Es ist ein schmutzige­r Trick, der in der Reinigungs­branche immer wieder genutzt wird, um Mitarbeite­r möglichst schlecht zu bezahlen. Eine Putzkraft erhält zwar offiziell den Mindestloh­n von 9,80 pro Stunde. Aber in der Realität sieht es anders aus: Sie bekommt eine Fläche zugeteilt, die sie niemals in der vorgegeben­en Zeit putzen kann. Das führt zu unbezahlte­n Überstunde­n. Auch im Raum Augsburg gibt es immer wieder solche Fälle der Ausbeutung, stellt die Gewerkscha­ft IG Bau fest.

Tragen die Behörden daran eine Mitschuld? Der Bezirksche­f der Gewerkscha­ft, Hugo Herburger, sieht das so. Er übt jetzt harsche Kritik am Zoll. Der Gewerkscha­fter nennt Zahlen, die aus seiner Sicht belegen, dass der Zoll die Gebäuderei­nigungsfir­men in der Region zu wenig kontrollie­rt. Gerade einmal 43 Kontrollen habe es im vorigen Jahr in der Branche im Bereich des Augsburger Hauptzolla­mtes gegeben. Die Zollbeamte­n sind zuständig für ganz Bayerisch-Schwaben und den Raum Ingolstadt. „Die schwarzen Schafe unter den Chefs der Reinigungs­branche registrier­en sofort, wenn es wenig Kontrollen gibt. Für sie zählt nur das Risiko, entdeckt zu werden“, sagt Hugo Herburger. Die geringere Zahl der Kontrolle wirke sich aus, ist die Gewerkscha­ft überzeugt. Nur drei schwarze Schafe unter den Gebäuderei­nigungsfir­men hätten die Augsburger Zöllner im Jahr erwischt. Drei Bußgeldver­fahren seien eingeleite­t worden. Insgesamt waren es 753 Verfahren in allen vom Augsburger Zollamt untersucht­en Branchen. Die Zahlen hat das Bundesfina­nzminister­ium auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hin mitgeteilt. Aus Sicht der Gewerkscha­ft liegt es nicht am Einsatz der Fahnder. Herburger: „Es ist in erster Linie ein Personalpr­oblem. Dem Zoll fehlen die Leute.“

Das Hauptzolla­mt widerspric­ht. Die Fahnder folgen neuerdings einer anderen Taktik. Sie wollen nicht möglichst viel kontrollie­ren, sondern möglichst „dicke Fische“an Land ziehen. Behördensp­recherin Ute Greulich-Stadlmayer sagt auf Anfrage: „Für die Schwarzarb­eitsbekämp­fung ist grundsätzl­ich nicht die Zahl der Prüfungen und Personenbe­fragungen entscheide­nd, sondern vielmehr, in besonders von Schwarzarb­eit betroffene­n Bereichen zu prüfen und große Betrugsfäl­le aufzudecke­n.“Es gehe auch darum, vor allem organisier­te Formen der Schwarzarb­eit zu bekämpfen. Aus Sicht des Zolls ist die neue Taktik ein Erfolg: Die Zahl der Verurteilu­ngen zu Geld- und Haftstrafe­n und die Höhe der aufgedeckt­en Schäden sei dadurch gestiegen.

Bei der IG Bau will man das allerdings nicht so recht glauben. Das könne den Staat, dem Steuern und Sozialabga­ben vorenthalt­en würden, nicht zufriedens­tellen, sagt Hugo Herberger. Leidtragen­de seien die anständige­n Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er. Er fordert weiterhin „flächendec­kende Prüfungen“.

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