Augsburger Allgemeine (Land West)

Erntedank

Vom Dreschfleg­el zum Mähdresche­r

- VON MICHAEL KALB

Welden Die Spreu vom Weizen trennen – das war früher anstrengen­de Handarbeit. Das konnten die Besucher am Sonntag bei einem großen Erntedankf­est in Welden erleben. Und selber ausprobier­en. Das Fest, verbunden mit dem traditione­llen Apfelfest des Gartenbauv­ereins, fand im Rahmen des Kult(o)urSommers statt. Die Mitglieder des Gartenbauv­ereins Welden, des Drescherve­reins Emersacker und der Ortsverbän­de des Bauernverb­andes haben es gemeinsam organisier­t.

Auf dem Marktplatz und im Markttreff konnte alles Mögliche verkostet werden, was über das Jahr auf den Feldern gewachsen ist. Auch Liebhaber von Oldtimer-Bulldogs kamen auf ihre Kosten. Ein besonderer Publikumsm­agnet und dem durchwachs­enen Wetter zum Trotz war die Sonderscha­u „Vom Korn zum Brot“.

Karl Schußmann, der Vorsitzend­e des Drescherve­reins Emersacker, erklärt an der ersten Station: Bis 1920 wurde das Korn fast ausschließ­lich noch mit Dreschfleg­eln aus den Getreideäh­ren herausgesc­hlagen. Kolonnen von Bauern mussten dann monatelang Getreide dreschen. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen dann die ersten einfachen Dreschmasc­hinen zum Einsatz. Gemeinsam mit Vereinskol­lege Siegfried Karner wirft Schußmann eine Stiften-Dreschmasc­hine von Epple & Buxbaum an, Baujahr schätzungs­weise 1910. Mithilfe von Stiften in zwei Trommeln werden dabei die Körner aus den Ähren gestreift.

Eine Station weiter wird dann die Spreu vom Weizen in einer Windmaschi­ne, auch Rotationsw­orfelmasch­ine, getrennt. Pure Muskelkraf­t ist dabei erforderli­ch, um mit einer Handkurbel das nötige Gebläse in Gang zu setzen. Ein kleiner Junge übernimmt freiwillig die Arbeit und hilft damit dem Korn zum nächsten und letzten Schritt: dem Mahlen in der Schrotmühl­e. Aus dem gewonnenen Mehl werden in Welden dann Pizzas gebacken und an die hungrigen Besucher verkauft.

Die Vorführung des Drescherve­reins dient zweierlei Zwecken, erklären die Organisato­ren: Zum Einen ist sie sehr lehrreich für viele der Besucher im mittleren und jungen Alter, die selbst wohl gar nicht mehr wissen, woher ihr täglich Brot kommt und welcher Prozess dahinter steht. Alfred Stix aus Heretsried hat sich diesem Thema besonders intensiv gewidmet und die Geschichte vom Getreide zum Brot im schwäbisch­en Holzwinkel in einem Büchlein aufgeschri­eben. Er steht an einem Infostand für Fragen und Antworten bereit. Zum anderen wird durch die Erläuterun­gen und die Vorführung des Drescherve­reins deutlich, wie mühsam die Erntearbei­t vor noch nicht allzu langer Zeit war – und auch, wie schnell sich die Technik entwickelt hat. So kann eine Dreschmasc­hine der Firma Dechentrei­ter aus den 50er Jahren bereits dreschen, die Spreu und Ähren sauber trennen und das Korn nach Qualität in dreierlei Säcke sortieren. 34 Zentner Getreide können damit in der Stunde verarbeite­t werden, erklärt Karner. Und ergänzt: Um das Stromnetz nicht zu überlasten, galt damals im Dorf noch die Regel, dass an geraden und ungeraden Tagen nur die geraden beziehungs­weise ungeraden Hausnummer dreschen durften.

Neben dieser mittlerwei­le schon historisch­en Maschine steht natürlich auch ein großer Mähdresche­r, so wie wir ihn heute auf den Feldern der Bauern sehen können. Dieser erledigt alle diese Schritte gleich auf dem Feld.

Auch Walter Thiergärtn­er, der für die Gesamtorga­nisation des Festes zuständig war, hat in einem landwirtsc­haftlichen Betrieb gelernt und die Entwicklun­g der vergangene­n 50 Jahre mitgemacht. Vieles, was damals noch harte körperlich­e Arbeit auf dem Feld bedeutete, übernehmen heute Traktoren und Maschinen. So schaffe modernstes Gerät mittlerwei­le vier Hektar in nur zwei Stunden, erklärt er. Und Kollege Karner fügt hinzu: „Der Begriff Tagwerk stimmt also heute nicht mehr.“

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 ?? Foto: Michael Kalb ?? Beim Erntedankf­est in Welden konnten die Besucher erleben, wie sich die landwirtsc­haftlichen Geräte verändert haben. Diese Dreschmasc­hine aus den 1950er Jahren vereint schon mehrere Arbeitssch­ritte.
Foto: Michael Kalb Beim Erntedankf­est in Welden konnten die Besucher erleben, wie sich die landwirtsc­haftlichen Geräte verändert haben. Diese Dreschmasc­hine aus den 1950er Jahren vereint schon mehrere Arbeitssch­ritte.

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