Augsburger Allgemeine (Land West)
„Ich fahre hier voll auf Sieg“
Formel 1 Nico Rosberg will sich vor dem wichtigsten Rennen seiner Karriere nicht auf taktische Spielchen einlassen. Fährt er in Brasilien als Erster über die Ziellinie, ist er Weltmeister
São Paulo
Auf dem Weg zu seinem ersten WM-Titel hat Nico Rosberg gelernt, wie man die kleinen Akzente setzt: Mercedes-Hospitality in Interlagos – der Mercedes-Pressechef will die kleine deutsche Medienrunde im offiziellen großen Stil durchziehen, mit dem Fahrer auf dem Podium stehend, eher distanziert. Doch Rosberg gefällt das offensichtlich nicht. Aber er fragt gar nicht erst, ob man das ändern könnte, sondern schnappt sich einen kleinen Sessel, setzt sich zu den Journalisten dazu. Klare Ansage, auch ohne Worte: Ich mache das hier so, wie ich es für mich für richtig und besser halte.
Selbstbewusst und gleichzeitig entspannt angesichts des vielleicht schon entscheidenden WM-Wochenendes wirkt er – selbstbewusst formuliert er auch die Herangehensweise an dieses Rennen, das ihm ja schon den Titel bringen könnte: „Ich fahre hier voll auf Sieg.“Schließlich hat er auch die beiden letzten Rennen in Brasilien gewonnen, das gibt Sicherheit.
Und Kontrahent Lewis Hamilton stand hier noch nie ganz oben: „Ist doch schön, hier positive Erinnerungen zu haben“, grinst der WMFührende – und hängt gleich noch einen kleinen Seitenhieb hinten dran: „Und er vielleicht ein paar“– er sucht einen Moment nach dem passenden Wort – „nicht direkt negative, aber vielleicht nicht ganz so schöne.“Ein Sieg am Sonntag (Start 17 Uhr MEZ/live in RTL und Sky), damit wäre alles klar, der Titel für Rosberg sicher – ohne weitere Rechenspielchen. Es gibt freilich auch noch andere Möglichkeiten, wie der 31-Jährige am Sonntagabend schon Weltmeister wäre, der dritte Deutsche nach Michael Schumacher und Sebastian Vettel.
Und zwar dann, wenn er Zweiter, Hamilton maximal Vierter wird, er Platz drei belegt und Hamilton maximal Sechster wird, mit Platz vier gegen Rang acht des Briten geht es ebenfalls, genauso wie mit fünf gegen neun oder sechs gegen einen Hamilton, der ohne Punkte bleibt.
Rosberg wäre dann der erste deutsche Weltmeister, der seinen ersten Titel schon ein Rennen vor Saisonende gewinnt. Dass er 2016 nach zwei Niederlagen gegen Hamilton in den letzten beiden Jahren in der Lage war, noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren und gegen den vermeintlich übermächtigen Gegner zurückzuschlagen, hat ihm viel Anerkennung eingebracht. Mercedes-F1-Aufsichtsratschef Niki Lauda, eigentlich als Hamilton-Fan bekannt, glaubt, dass der zweite verlorene Titelkampf 2015 die Wende brachte. „Typisch Nico. Er hat sich hingesetzt und sich gefragt: Was kann der Hamilton besser als ich?
Er hat den gleichen Speed, hat es aber mit all seiner Arbeit nicht geschafft, Lewis zu schlagen. Weil Nico wie ich früher immer das große Bild im Auge hatte, und deshalb lieber mal im Zweikampf zurückgesteckt hat. Lewis hat einfach draufgehalten, ist in jede Lücke reingefahren und kam damit immer durch.“Jetzt habe Rosberg aber seinen Ansatz geändert. „Statt in Depressionen zu verfallen, hat er sich diese Härte antrainiert. Und jetzt merkt Lewis plötzlich, dass er gegen diesen Nico mit seinem Naturtalent allein nicht mehr ankommt.“
Viele aus Rosbergs Umfeld, aber auch neutrale Experten, sind sich einig, dass sich der gebürtige Wiesbadener in diesem Jahr noch einmal verbessert habe. Er selbst findet das schwer zu kommentieren, „aber es freut mich natürlich, diese Meinung zu hören. Ich bin jemand, der sich selbst immer weiter verbessern möchte, ich kämpfe auch die ganze Zeit dafür und versuche, aus schwierigen Momenten immer wieder zu lernen.“
Eine gewisse Rolle in seiner Entwicklung spiele auch sein Privatleben: „Ich glaube schon, dass mir meine Familie, das Glück, das ich mit meiner Frau und meiner kleinen Tochter Alaia erfahre, auch im Sport hilft. Das Privatleben wirkt sich doch immer irgendwie auch auf den Sport aus. Ich war jetzt eine Woche zu Hause, wir hatten eine tolle Zeit, also komme ich glücklich und entspannt hier an die Rennstrecke. Das hat dann schon einen gewissen Einfluss.“
Damit das gute Jahr 2016 dann aber auch wirklich seinen perfekten Abschluss findet, raten fast alle seine Kollegen Rosberg dazu, auch in der Praxis genau das durchzuziehen, was er angekündigt hat: volle Attacke: „Man darf nicht anfangen zu rechnen, auch wenn man vorne liegt, muss weiter attackieren“, sagt Fernando Alonso. „Man weiß nie, was passiert. Ich war in seiner Situation – und habe verloren.“Und auch Niki Lauda meint: „Es gibt als Rennfahrer nur eine Marschrichtung. Und die heißt: Nix mit Taktik. Er darf auf keinen Fall auf einen zweiten Platz fahren, sondern einzig und allein voll auf Sieg. Sonst geht’s nämlich daneben.“ I
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