Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Leben auf der anderen Seite

Natur Im Ilsesee schwimmen im Sommer Tausende Badegäste. Doch unter der Wasserober­fläche tummelt sich noch mehr Leben. Ein ökologisch­es Konzept hat den See verwandelt. Das kann auch in anderen Gewässern funktionie­ren

- VON CHRISTIAN GALL

Königsbrun­n

Das Wasser ist kristallkl­ar. Auch bei leichtem Wellengang sind vom Ufer aus die Unterwasse­rpflanzen gut zu sehen. Zwischen den sanft wogenden Gewächsen tummeln sich winzige Fische. Junge Flussbarsc­he, Rotaugen, Rotfedern und viele weitere schwimmen durch die Unterwasse­rpflanzen. „Vor ein paar Jahren gab es noch nicht so viele Pflanzen. Und auch weniger Fische“, sagt Jürgen Scharm. Er ist Gewässerök­ologe und kennt den Ilsesee so gut wie kein Zweiter. Mehr als 1000 Mal ist er in die Tiefen abgetaucht, kennt jede Erhebung, jede Senke. „Bei klarem Wetter sieht man unter Wasser 20 Meter weit. Ich kenne keinen anderen See, in dem das im Sommer möglich ist.“Scharm kennt die bayerische­n Gewässer gut – er war schon in fast allen selbst tauchen.

Der Ilsesee ist im Sommer ein beliebter Badesee. Tausende Menschen ziehen ihre Bahnen durch das Wasser und sonnen sich am Ufer. Doch unter der Oberfläche ist das Gewässer mehr als nur ein Badesee. Hier leben Tausende Tiere und Pflanzen. Für diese fasziniere­nde Unterwasse­rwelt haben Scharm und einige Helfer über Jahre hinweg Zeit und Geld investiert. Ihre Tauchbasis ist auf der Westseite des Gewässers. Der herausrage­nde Zustand des Sees ist in erster Linie diesem Team zu verdanken – und ihrem Konzept.

Ein Zehn-Punkte-Plan hat dem See geholfen, sich zu entwickeln. Dazu gehören allerdings Maßnahmen, die nicht jeden freuen. Denn seitdem sich die Tauchbasis Ilsesee um die ökologisch­en Belange des Sees kümmert, gibt es Einschränk­ungen für Badegäste und Taucher. Grund dafür sind verschiede­ne Maßnahmen, unter anderem wurden Schutzbere­iche eingericht­et sowie Bepflanzun­gen über und unter Wasser durchgefüh­rt. Auch der Tierbesatz des Gewässers wurde korrigiert. Ein Betretungs­verbot im Nordwes- ten des Sees hat dazu geführt, dass seltene Tiere wie etwa der Eisvogel zurückgeke­hrt sind. „Jetzt nach sechs Jahren können wir mit Stolz Verbesseru­ngen feststelle­n. Die Unterwasse­rwelt hat sich deutlich erholt“, sagt Scharm. Dies bestätigen ihm zufolge auch Badegäste, die sich an der Tauchbasis über den See informiere­n.

Seit dem Jahr 2009 arbeitet Scharm mit seinen Helfern am See. Ohne die Unterstütz­ung der Eigentümer wäre das nicht möglich. Inzwischen ist viel geschehen, das Team hat zum Beispiel Unterwasse­rPlattform­en und Stege gebaut. Nun steht die Wiederansi­edlung des Krebses an. „Bis in die 80er Jahre waren diese im See heimisch. Der Besatz von Flussaalen durch einen Fischereiv­erein hat sie ausgerotte­t“, sagt Scharm. Nun sollen die Krebse in Holzhäuser­n mit Tonröhren ange- siedelt werden. Laut Scharm kann das Konzept auch für andere Seen in der Region angewandt werden. Der Ökologe hat für die meisten Seen in der Region Gutachten erstellt, im Auftrag von Behörden und Vereinen. Doch er weiß, dass seine Maßnahmen nicht überall auf Zustimmung treffen.

Scharm hat etwa für einen See im Wittelsbac­her Land ein Konzept ausgearbei­tet, das damals auf große Beachtung stieß. „Aber die Umsetzung gestaltet sich manchmal als schwierig und erfordert viel Überzeugun­gsarbeit,“sagt der Ökologe. In den vergangene­n Jahren stand er oft vor solchen Herausford­erungen. Doch umso mehr freut es ihn, wenn er morgens mit einer Tasse Kaffee an „seinem“See steht und im klaren Wasser Fische durch die dichten, leuchtende­n Pflanzen ziehen sieht.

»Kommentar

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Fotos: Tauchbasis Ilsesee Im Ilsesee bei Königsbrun­n leben tausende Tiere. Einige sind so groß wie dieser Stör, andere sind mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Doch alle zusammen bilden mit den Unterwasse­rpflanzen ein Ökosystem, das den See am Leben erhält.
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Im See hat das Team der Tauchbasis kleine Gebäude angelegt. Sie dienen Fischen und auch Krebsen als Unterschlu­pf.

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