Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Leben auf der anderen Seite
Natur Im Ilsesee schwimmen im Sommer Tausende Badegäste. Doch unter der Wasseroberfläche tummelt sich noch mehr Leben. Ein ökologisches Konzept hat den See verwandelt. Das kann auch in anderen Gewässern funktionieren
Königsbrunn
Das Wasser ist kristallklar. Auch bei leichtem Wellengang sind vom Ufer aus die Unterwasserpflanzen gut zu sehen. Zwischen den sanft wogenden Gewächsen tummeln sich winzige Fische. Junge Flussbarsche, Rotaugen, Rotfedern und viele weitere schwimmen durch die Unterwasserpflanzen. „Vor ein paar Jahren gab es noch nicht so viele Pflanzen. Und auch weniger Fische“, sagt Jürgen Scharm. Er ist Gewässerökologe und kennt den Ilsesee so gut wie kein Zweiter. Mehr als 1000 Mal ist er in die Tiefen abgetaucht, kennt jede Erhebung, jede Senke. „Bei klarem Wetter sieht man unter Wasser 20 Meter weit. Ich kenne keinen anderen See, in dem das im Sommer möglich ist.“Scharm kennt die bayerischen Gewässer gut – er war schon in fast allen selbst tauchen.
Der Ilsesee ist im Sommer ein beliebter Badesee. Tausende Menschen ziehen ihre Bahnen durch das Wasser und sonnen sich am Ufer. Doch unter der Oberfläche ist das Gewässer mehr als nur ein Badesee. Hier leben Tausende Tiere und Pflanzen. Für diese faszinierende Unterwasserwelt haben Scharm und einige Helfer über Jahre hinweg Zeit und Geld investiert. Ihre Tauchbasis ist auf der Westseite des Gewässers. Der herausragende Zustand des Sees ist in erster Linie diesem Team zu verdanken – und ihrem Konzept.
Ein Zehn-Punkte-Plan hat dem See geholfen, sich zu entwickeln. Dazu gehören allerdings Maßnahmen, die nicht jeden freuen. Denn seitdem sich die Tauchbasis Ilsesee um die ökologischen Belange des Sees kümmert, gibt es Einschränkungen für Badegäste und Taucher. Grund dafür sind verschiedene Maßnahmen, unter anderem wurden Schutzbereiche eingerichtet sowie Bepflanzungen über und unter Wasser durchgeführt. Auch der Tierbesatz des Gewässers wurde korrigiert. Ein Betretungsverbot im Nordwes- ten des Sees hat dazu geführt, dass seltene Tiere wie etwa der Eisvogel zurückgekehrt sind. „Jetzt nach sechs Jahren können wir mit Stolz Verbesserungen feststellen. Die Unterwasserwelt hat sich deutlich erholt“, sagt Scharm. Dies bestätigen ihm zufolge auch Badegäste, die sich an der Tauchbasis über den See informieren.
Seit dem Jahr 2009 arbeitet Scharm mit seinen Helfern am See. Ohne die Unterstützung der Eigentümer wäre das nicht möglich. Inzwischen ist viel geschehen, das Team hat zum Beispiel UnterwasserPlattformen und Stege gebaut. Nun steht die Wiederansiedlung des Krebses an. „Bis in die 80er Jahre waren diese im See heimisch. Der Besatz von Flussaalen durch einen Fischereiverein hat sie ausgerottet“, sagt Scharm. Nun sollen die Krebse in Holzhäusern mit Tonröhren ange- siedelt werden. Laut Scharm kann das Konzept auch für andere Seen in der Region angewandt werden. Der Ökologe hat für die meisten Seen in der Region Gutachten erstellt, im Auftrag von Behörden und Vereinen. Doch er weiß, dass seine Maßnahmen nicht überall auf Zustimmung treffen.
Scharm hat etwa für einen See im Wittelsbacher Land ein Konzept ausgearbeitet, das damals auf große Beachtung stieß. „Aber die Umsetzung gestaltet sich manchmal als schwierig und erfordert viel Überzeugungsarbeit,“sagt der Ökologe. In den vergangenen Jahren stand er oft vor solchen Herausforderungen. Doch umso mehr freut es ihn, wenn er morgens mit einer Tasse Kaffee an „seinem“See steht und im klaren Wasser Fische durch die dichten, leuchtenden Pflanzen ziehen sieht.
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