Augsburger Allgemeine (Land West)
Missbrauch: Vater hat das Leben vieler Menschen zerstört
Urteil Promovierter Mediziner muss lange ins Gefängnis. Erst nach mehr als einem Jahrzehnt flogen seine Taten auf
Augsburg
Jahrelang hat ein verheirateter Arzt und vierfacher Familienvater eine seiner kleinen Töchter missbraucht. Nach dem gestern vor dem Landgericht verkündeten Urteil muss der heute 64-Jährige deswegen acht Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Wegen schwerem sexuellem Missbrauch und Besitz kinderpornografischer Schriften. Die Jugendkammer unter Vorsitz von Katharina Schneider verurteilte 52 Fälle. Es müssen jedoch viel mehr gewesen sein. Richterin Schneider sprach von „der Spitze eines Eisbergs“. Da die Taten 13 und mehr Jahre zurück liegen – die Tochter ist inzwischen 29 –, lässt sich vieles nicht mehr aufklären. Während der Plädoyers hatte das Gericht die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Um das Opfer zu schützen.
1994, als das Mädchen etwa acht Jahre alt war, hatte alles recht harmlos begonnen. Ihr Vater legte sich zu ihr ins Stockbett, las Gute-NachtGeschichten vor, begann sie zu streicheln. Die Intimitäten steigerten sich. Er zeigte dem Mädchen, das auf seinem Schoß saß, am Computer Fotos von nackten Frauen und Kindern, gewöhnte es allmählich an sexuelle Handlungen. Später schloss er sich im Arbeitszimmer oder im Bad mit ihr ein. Bald kamen die Geschwister hinter das „Geheimnis“. Der ältere Bruder entdeckte in einer Schreibtischschublade einen Videofilm. Zu sehen sind darauf sein Vater und seine drei Jahre jüngere Schwester beim Geschlechtsverkehr. Was die Kinder jedoch für sich behielten. Zeugen im Prozess sagten aus, sie hätten aus Scham und wohl auch, weil sie mit der Situation überfordert waren, ihrer Mutter nichts erzählt. 2003 trennte sich die Familie, die Frau verließ mit den Kindern ihren Mann. Sie hatte nicht länger ertragen, dass er sie und die Kinder zu Hause wie ein Tyrann behandelte, im Urlaub für sexuelle Abenteuer nach Thailand reiste.
Aus Thailand hat der promovierte Mediziner auch seine zweite Ehefrau mitgebracht. Sie lieferte indirekt den Anstoß, warum der Missbrauch nach mehr als einem Jahrzehnt aufflog. Denn mit ihr hat der Angeklagte eine heute achtjährige Tochter. Ihre ältere Halbschwester ging 2015 zur Polizei und zeigte ihren Vater an. „Ich wollte nicht, dass dem Mädchen das Gleiche passiert wie mir.“In ihrer Urteilsbegründung warf Richterin Schneider dem Angeklagten vor, das Leben vieler Menschen zerstört zu haben. Seine neue Familie muss, während er im Gefängnis sitzt, sich alleine durchschlagen. Seine vier Kinder aus erster Ehe leiden unter Depressionen, werden behandelt.