Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Nahverkehr ist nicht nur eine Frage des Taktes
Diese Woche Wenn die Stadtbusse bald anders fahren, werden Proteststürme ausbleiben. Viel drängender sind andere Themen
Wenn die Stadtwerke in einem Monat ihr neues Buskonzept starten werden, ist kaum mit Proteststürmen zu rechnen. Die einschneidendsten Veränderungen betreffen die Stadtteile im Nordosten der Stadt. Dort ist es in der Summe eine Verbesserung, auch wenn es Verlierer geben wird. Einschneidender ist die Taktausdünnung am Abend ab 20.30 Uhr bei vielen Buslinien. Sie wird dafür sorgen, dass die Zahl nächtlicher „Geisterbusse“abnimmt, deren Zahl aufgrund sinkender Nachfrage gen Mitternacht am größten ist. Die frei werdenden Kapazitäten setzen die Stadtwerke tagsüber ein, wo sie mehr gebraucht werden. Das Konzept ist sinnvoll, weil die Subventionen für den Nahverkehr so an der Stelle eingesetzt werden, wo sie am meisten Nutzen bringen. Voraussetzung ist, dass der Bedarf für die neue Expresslinie 44, die die Hammerschmiede relativ direkt mit der Innenstadt verbindet, auch wirklich da ist.
Die Verkehrsbetriebe fahren jährlich 40 Millionen Euro Defizit ein, die über die Gewinne der Energiesparte und steuerliche Effekte im Konzern ausgeglichen werden müssen. Bei knapp 60 Millionen Fahrgästen bedeutet dies, dass jede Fahrt eines Fahrgastes im Schnitt mit 66 Cent subventioniert wird. Den Rest machen die Ticketeinnahmen aus. Und natürlich sind Busse und Trams am teuersten zu betreiben, wenn kaum jemand drinsitzt. Umgekehrt sind sie dann am rentabelsten, wenn sie voll sind, also vor allem in der Morgenspitze. Dass Stadtwerke-Chef Walter Casazza an diesen Schrauben dreht, wurde auch schon bei den Straßenbahnen deutlich, als der ganztägige Fünf-Minuten-Takt aufgegeben wurde. Abends zwischen 18 und 20.15 Uhr fahren die Trams jetzt dichter, doch vormittags gibt es nur noch den 7,5-Minuten-Takt.
Das ist unangenehm, aber verkraftbar, sonst gäbe es keine steigenden Fahrgastzahlen (wobei ein Teil des Zuwachses schlicht aus dem Wachstum Augsburgs herrührt). Doch diese Wechselspiele haben einen Haken an anderer Stelle, der nicht übersehen werden sollte. Diejenigen, die abends unterwegs sein müssen, weil sie etwa von der Spätschicht kommen, treffen bei vielen Buslinien ab 20.30 Uhr künftig auf ein um 50 Prozent verringertes Angebot.
Dass diese wenigen Fahrgäste ge- gebenenfalls aufs Auto umsteigen, sofern sie eines haben, nimmt man bei den Stadtwerken in Kauf. Bitter ist: Wer kein Auto hat, muss länger warten, weil ihm nichts anderes übrig bleibt. Die Daseinsvorsorge tritt zugunsten der Ökonomie in den Hintergrund. Es sind nicht viele Fahrgäste abends, aber für die Krankenschwestern oder Schichtarbeiter, die davon betroffen sind, ist das ein Problem.
Die Taktveränderungen der vergangenen Jahre werfen unwillkürlich die Frage nach dem Fünf-MinutenTakt bei der Straßenbahn auf. Regelmäßig wird geunkt, dass er kippen könnte. Abgesehen von der schon vollzogenen Änderung vormittags steht er aber nicht zur Disposition. Das Protestpotenzial bei den Fahrgästen, die den kontrollierten Vordereinstieg bei den Bussen noch präsent haben, wäre wohl enorm. Und es wäre auch schwierig vermittelbar, neue Linien zu bauen, diese aber seltener zu befahren. Andersherum darf man durchaus bezweifeln, dass ein Fünf-Minuten-Takt, gäbe es ihn denn noch nicht, heutzutage große Chancen auf eine Einführung hätte. Denn die Herausforderungen für die Stadtwerke sind groß. Sie müssen ihren Anteil am Bahnhofstunnel, der Linie3-Verlängerung und der Linie 5 bezahlen. Das Gelingen dieser Vorhaben – speziell des Bahnhofstunnels mit Haltestelle unter den Gleisen – wird für den Nahverkehr in Augsburg wirklich entscheidend sein und ihn auf Jahrzehnte prägen.
Kurzfristig ist die spannendste Frage, was die Tarifreform des Augsburger Verkehrsverbundes bringt. Sie kreist, nachdem bei der Vorstellung vor einem knappen Jahr eine baldige Einführung für möglich gehalten wurde, wieder in der Umlaufbahn zwischen Stadt, Landkreisen und AVV. Vor allem im Umland scheinen noch Fragen offen. Die Marschrichtung steht aber nach wie vor: Die Verkehrsbetriebe, die an dem Konzept maßgeblich beteiligt waren, wollen ihre Kunden mit einer Mischung aus attraktiven Angeboten und sanfter Gewalt davon überzeugt, dass Abos besser sind als Einzelfahrscheine. Ob diese Rechnung aufgeht, entscheiden die Passagiere.