Augsburger Allgemeine (Land West)
Warnhinweise auf Lebensmittel?
Im Supermarktregal stehen die bösen Fruchtzwerge – und davor? Auch Zwerge, unmündige Zwerge? Die Verzwergung des Verbrauchers, seine Bemutterung und Überbehütung ist nicht das Allheilmittel, als das es so gerne präsentiert wird. Glauben wir wirklich, dass wir das Kauf- und Essverhalten mit Warnhinweisen und Gut-Böse-Ampeln steuern können? Kinder schauen da eh nicht drauf – und beim Rest, sollte man meinen, haben wir es mit erwachsenen Leuten zu tun. Wer zuckerhaltige Brause in sich hineinschüttet zum nährstoffarmen Fertiggericht, weiß, was er tut oder es ist ihm egal. Er wird davon durch den erhobenen Zeigefinger ebenso wenig abzubringen sein wie ein AfD-Wähler von seinem Kreuz.
Auch ein jenseits aller Koordinaten von Ernährungsratgebern futternder Zeitgenosse hat schon davon gehört, dass ein Apfel besser ist als ein Schokopudding. Besser als alle Warnhinweise wäre eine konsequente Aufklärung über Essverhalten und Lebensmittel in der Schule – und möglicherweise als Ultima Ratio drastische Steuern auf Junkfood. Wobei man in Skandinavien lange Zeit studieren konnte, dass die sündhafte Verteuerung von Alkohol nicht unbedingt ein Volk von Abstinenzlern produziert.
Außerdem: Kinder, die jetzt geboren werden, haben eine Lebenserwartung von 90 plus. Die Hysterie, mit der heutzutage Lebensmittel mit vermeintlichem Gefahrenpotenzial aufgeladen werden, ist absurd. Noch nie war das, womit sich die Menschheit ernährt, in der Breite so gut und verträglich. Zur Entkrampfung des ziemlich verkorksten Verhältnisses zu dem, was wir essen, tragen Warnhinweise jedenfalls sicher nicht bei. Irgendwann muss mal Schluss sein damit, allem und jedem einen Fahrradhelm überstülpen zu wollen.