Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie VW nun sparen will
Autobauer Lange Jahre wurde darüber geredet, wie bei Volkswagen die Kernmarke wieder fit gemacht werden soll. Geholfen hat es wenig – jetzt muss inmitten der größten Krise des Konzerns am offenen Herzen operiert werden
Wolfsburg
Es geht ans Eingemachte. Seit Monaten haben die Beteiligten in Wolfsburg um ein Regelwerk gerungen, das schon mit seinem Namen die Weichenstellung sein soll für die kommenden Jahre: Es heißt „Zukunftspakt“. Und das Ergebnis macht klar, warum Arbeitnehmer und VW sich auf den letzten Metern so schwergetan haben. Bis zu 30 000 Stellen sollen in den kommenden Jahren weltweit wegfallen, auch bei den Investitionen wird gekürzt. Den Anteil der Sachinvestitionen am Umsatz will VW bis 2020 auf rund sechs Prozent senken, wie der DaxKonzern am Freitag in Wolfsburg nach einer Aufsichtsratssitzung mitteilte. Insbesondere Investitionen, die nicht direkt mit Produkten zusammenhängen, sollen zurückgefahren werden. Der Fokus liege von nun an auf umweltfreundlichen Technologien sowie Digitalisierung und Vernetzung, hieß es. Im Konzernbereich Automobile hatte die Sachinvestitionsquote 2015 noch 6,9 Prozent betragen.
Damit kommt auch die Dieselkrise endgültig bei der Belegschaft an. Allein in Deutschland stehen 23 000 Stellen zur Disposition – der Abbau soll zwar sozialverträglich geschehen, betriebsbedingte Kündigungen wird es nicht geben. Viele aber werden sich umstellen und umlernen müssen. Manches Werk wird weni- – und andere – Arbeit haben. Denn VW muss sparen und gleichzeitig in neue Technologien investieren, um den Anschluss nicht zu verlieren. Ein Drahtseilakt unter Zeitdruck. Vieles stand auf dem Prüfstand, aber am VW-Fundament sollte nicht gerüttelt werden.
Teilnehmer beschreiben die Gespräche als zäh, hart, aber insgesamt sehr fair. Die Lage für VW ist allerdings auch ernst. Die Kernmarke VW Pkw mit den Verkaufsschlagern Golf, Tiguan und Passat wandelt nicht erst seit der Abgasaffäre gefährlich nah an der Verlustzone. Von 100 Euro Umsatz blieben in den ersten neun Monaten nur rund 1,60 Euro als Gewinn vor Zinsen und Steuern hängen – zu wenig für die Ansprüche des Weltkonzerns.
Markenchef Herbert Diess will die Umsatzrendite in den kommenden Jahren nun mehr als verdopger peln. Die großen Gewinne fahren im VW-Konzern nämlich andere ein. Dass die Premiumschlitten von Porsche und Audi lukrativer sind, liegt auf der Hand. Aber selbst die Konzerntochter Skoda glänzt im Vergleich zu VW mit ihrer Gewinnkraft. Diess war auch deshalb von BMW geholt worden, weil ihm der Ruf des strikten Kostenkillers vorauseilt. Der Streit um das Warum der hohen Kosten hat Tradition im Vielmarkenkonzern. Wessen Entwicklungsleistungen kommen wem zugute, welche gemeinsamen Kosten werden welcher Marke allein angelastet? Hinter den Kulissen soll es deswegen erneut gekracht haben. Der Stresstest Dieselkrise ist der Solidarität unter den bisher zwölf Marken des Konzerns nicht sehr zuträglich. Belegschaft und Unternehmen haben nun den sogenannten Zukunftspakt geschnürt – doch ohne Schmerzen wird es nicht gehen.
In Wolfsburg glaubt man auf allen Seiten, den Ausweg durch einen Personalabbau gefunden zu haben, der sich die zahlreichen Babyboomer an der Altersteilzeitgrenze zunutze macht. Sie sollen für Entlastung sorgen, wenn sie weniger arbeiten oder in Frührente gehen. Ob die Sparbemühungen reichen, das bezweifeln viele. Schon Ex-Chef Martin Winterkorn hatte in seinem Effizienzprogramm fünf Milliarden Euro als Einsparziel ausgerufen. Genutzt hat es bislang wenig.
Der Österreicher Diess kann für sich verbuchen, dass die als teuer geltenden deutschen Werke durch den Jobabbau insgesamt um ein Viertel profitabler werden sollen – vor allem auch auf Kosten von Leiharbeitern, bei denen zuletzt schon deutlich gekürzt worden war.
Marco Engemann, dpa