Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein wahrer Held geht nicht zum Arzt

Aktionstag Geschlecht­errollen und Erziehung sorgen offenbar dafür, dass viele Männer so denken – und mit dem eigenen Körper oft fahrlässig sind

- VON CAROLIN HITZIGRATH

Wenn Männer sich erkälten, stehen sie gefühlt schon mit einem Bein im Grabe. So der Konsens. Doch scheint sich das starke Geschlecht, gerade wenn es um Gesundheit und Vorsorge geht, eher an das Motto „ein Indianer kennt keinen Schmerz“zu halten. Der heutige Internatio­nale Männertag widmet sich darum auch der Männergesu­ndheit – physisch und psychisch.

„Die männliche Einstellun­g zum eigenen Körper ist eine mechanisch­e“, sagt Stefan Becker, Gleichstel­lungs-Experte bei der Stadt Augsburg. Wie ein Auto wird er „gefahren“, bis er kaputt ist. Es gilt ihm zufolge als männlich, ans Limit zu gehen, in jeder Lebenslage. Bis es nicht mehr geht, dann erst dürfe der Arzt ran – zum „Reparieren“.

67 Prozent der deutschen Männer sind übergewich­tig, 23 Prozent sind adipös, heißt es in einer Studie der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung. Mit dem Übergewich­t steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung­en. Das Diabetesun­d Schlaganfa­llrisiko steigt ebenfalls. An die empfohlene­n 2,5 Stunden Sport in der Woche hält sich laut der Studie kaum einer.

Das wäre vermeidbar, denn Vorsorgean­gebote gibt es ausreichen­d. Doch nehmen Männer diese oft nicht wahr. Gründe dafür sieht Stefan Becker im männlichen Lebensstil: „Es ist Teil der Rolleniden­tität und Erziehung.“Ein Mann gehe nicht ins Yoga oder zur Rückengymn­astik. Selbst wenn eine Diagnose feststeht, würden manche den Arzt meiden. „Sie pendeln oft in die Extreme“, sagt auch Matthias Becker, Deutschlan­ds erster Männer- beauftragt­er bei der Stadt Nürnberg. Diejenigen, die Sport machen, unterwerfe­n sich oft dem Zwang zum Sixpack, nehmen teilweise ungesunde Aufbaupräp­arate. Stärker ist besser. Mit Kampagnen zur Alkoholprä­vention wie „Kenn dein Limit“seien Männer ebenfalls nicht zu erreichen, sind sich die beiden Experten einig. Alkohol wecke eher den kompetitiv­en Wesenszug vieler. Wettkampf bis zum Erbrechen.

Das männliche Gesundheit­sproblem ist also nicht nur ein physisches. Bei der Gesundheit­svorsorge gehe es auch um Selbstacht­samkeit, sagt Stefan Becker. Neben dem Zwang gesund zu sein, lasten permanente­r Leistungsd­ruck in der Arbeit und der Familie auf den Schultern der Männer, sagt Stefan Becker. Schwäche ist nicht erlaubt.

Das erlebt auch der Männerbeau­ftragte Matthias Becker immer wieder. Sein Augenmerk liegt vor allem auf der männlichen Psyche. Trennung oder Scheidung stürzen seine Klienten oft in Krisen. Häufig beschäftig­e sie die Frage, wie die Vaterrolle nun zu meistern ist. Gerade bei jungen Männern erleben beide Experten aber einen Wandel. „Sie schaffen sich Freiräume“, sagt Matthias Becker – und seien so oft ausgeglich­ener und gesünder.

Mit einer besonderen Aktion setzen sich übrigens auch die Augsburger Panther für Männergesu­ndheit ein. Die Eishockeys­pieler lassen sich den ganzen „Movember“– eine Wortschöpf­ung aus Moustache (englisch: Schnurrbar­t) und November – einen Schnurrbar­t stehen. Damit unterstütz­en sie die Movember-Stiftung, die auf Prostatakr­ebs aufmerksam macht und Spenden zugunsten der Erforschun­g und Vorbeugung sammelt.

 ?? Foto: CJ Gunther, dpa ?? Stark und unkaputtba­r, nach dieser Devise leben unseren beiden Experten zufolge viele Männer. Mit dem Körper sei es wie beim Autofahren: Man geht ans Limit.
Foto: CJ Gunther, dpa Stark und unkaputtba­r, nach dieser Devise leben unseren beiden Experten zufolge viele Männer. Mit dem Körper sei es wie beim Autofahren: Man geht ans Limit.

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