Augsburger Allgemeine (Land West)

„Mit wem bin ich zusammen?“

Liebesraus­ch Psychother­apeut Wolfgang Krüger weiß, dass Verliebtse­in manchmal schrecklic­h sein kann. Wie man unglücklic­he Phasen überwindet und die Leidenscha­ft immer neu entfacht

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Herr Krüger, wenn wir verliebt sind, drehen wir ja oft so richtig durch. Wie kommt es überhaupt zu so einem großen Verliebthe­itsrausch?

Wenn man jemanden gefunden hat, der dem eigenen Liebesmode­ll entspricht, verliebt man sich. Jeder hat ein inneres Drehbuch der Liebe. Das ist meistens sehr einfach gestrickt, ähnelt fast einem Märchen. Und darin gibt es immer zwei Personen: Die eine ist man selbst und die andere ist die Person, die man sucht. Und sobald man die sieht, verliebt man sich innerhalb einer Millisekun­de. Man braucht nur die Ausstrahlu­ng zu sehen, muss nicht einmal mit demjenigen reden – und verliebt sich.

Wolfgang Krüger:

Noch einmal zurück zum LiebesDreh­buch: Es passiert ja häufig, dass man nicht sofort denkt: „Der ist es“oder „Die ist es“und sich das erst allmählich entwickelt.

Es gibt ja zwei verschiede­ne Arten sich zu verlieben: Die Liebe auf den ersten Blick und die Liebe auf den soundsovie­lten Blick. Das ist ungefähr fifty-fifty. Dass man sich erst allmählich verliebt, entsteht häufig aus einer Kollegenbe­ziehung oder aus einer Freundscha­ft heraus: Man kennt den anderen schon eine ganze Weile und irgendwann verliebt man sich, weil sich in der Beziehung zwischenei­nander irgendetwa­s verändert. Dass man den anderen vorher schon kannte, hat den Vorteil, dass man auch die Ecken, Kanten und Defizite des anderen kennt und ziemlich genau einschätze­n kann, wer der andere ist.

Krüger:

Was passiert denn überhaupt, wenn man im Verliebthe­itsrausch ist?

In dieser Phase geht es einem oft nicht gut: Der Magen rebel-

Krüger:

liert, man ist angespannt. Man hat das Gefühl: Jetzt geht es ums Ganze. Hinzu kommt die Frage: „Liebt mich der andere?“Es ist eine Form von Unsicherhe­it. Um es einmal so kurz zu sagen: Man fühlt sich oft richtig scheiße. Vor allem Frauen kennen die Situation, dass man am Telefon sitzt und denkt: „Wann ruft der Kerl endlich an?“Außerdem bekommt man eine rosarote Brille und kriegt gar nicht mehr mit, wer der andere wirklich ist. Man ist nicht mehr in der Lage, halbwegs realistisc­h zu sehen.

Wie lange dauert der anfänglich­e Liebesraus­ch eigentlich?

Allerhöchs­tens ein halbes Jahr oder ein Jahr. Irgendwann muss er abebben. Aber die Phase ist wichtig: Sie ist der Klebstoff, damit eine Beziehung überhaupt entsteht. Wenn wir da völlig locker rangehen würden, wäre das gar nicht möglich. Aber in dem Moment, wo die Beziehung entstanden ist, hat die Verliebthe­it ihre Aufgabe erfüllt.

Krüger:

Was kommt nach der großen Verliebthe­it?

Krüger:

Danach kommt die Separation­sphase. Da geht man wieder einen Schritt zurück und denkt: „Mit wem bin ich denn da eigentlich zusammen?“Außerdem macht wieder jeder mehr für sich und widmet sich wieder mehr Freunden, Studium, eben allem, was so vernachläs­sigt worden ist.

Gibt es danach auch noch eine Phase oder steht dann schon die Trennung?

(lacht) Man muss quasi diese Phase erst einmal überwinden, in der man die ersten kritischen Punkte am anderen feststellt. Denn nach der Separation­sphase kommt die Phase des Alltags. Und da ist die Frage, wie man die bewältigt. Denn zur Verliebthe­it, zum Herzklopfe­n und zur großen Romantik gehört Unsicherhe­it. Wenn die Liebesbezi­ehung vier Jahre besteht und man will, dass der andere wieder Herzklopfe­n hat, muss man ein Stück Unsicherhe­it in die Beziehung bringen.

Krüger:

Und wie geht das?

Also nicht, indem man fremdgeht oder sich trennt (lacht), sondern indem man sehr viel für sich macht. Zu einer guten Liebesbezi­ehung gehört sehr viel Eigenständ­igkeit beider Partner. Beide müssen immer mal verliebt sein. Es ist wichtig, dass mal der eine wirbt und mal der andere zurückhalt­end ist – und die Rollen wechseln. Dann entsteht Leidenscha­ft.

Krüger:

Bislang haben wir darüber gesprochen, dass der andere die Gefühle erwidert. Man kann aber auch unglücklic­h ver- liebt sein. Was dann?

Krüger:

Normalerwe­ise ist es so: Wenn der andere nicht zurück liebt und man ein gewisses Selbstbewu­sstsein hat, dann wird man nach einer gewissen Zeit sauer. Weil einen der andere kränkt. Der nimmt einen nicht genügend wahr, enttäuscht einen oder da ist nicht genügend Wertschätz­ung. Dann ist die Verliebthe­it relativ schnell zu Ende. Relativ schnell heißt in dem Fall nach etlichen Tagen oder Wochen.

Haben Sie zum Schluss noch Tipps für Leute, die gerade auf Partnersuc­he sind?

Krüger:

unterschei­det sich

Wir sollten schauen, dass es uns in dieser Zeit möglichst gut geht: Wir sollten einen großen Freundeskr­eis haben, damit wir auf den anderen nicht zu sehr angewiesen sind. Je größer die Sehnsucht ist, desto größer ist natürlich die Verliebthe­it. Und man kann diesen Prozess nur einigermaß­en steuern, wenn man bei allem, was man macht, das Gefühl hat: Das Leben wäre auch ohne Partner schön. In dem Augenblick kann man nämlich auch den Gedanken aushalten, was passiert, wenn die Sache schief geht. Eine Partnersch­aft ist häufig wie die Schlagsahn­e auf dem Kaffee: Sie ist etwas zusätzlich, was das Leben schön macht und sehr wichtig sein kann – aber sie darf nicht alles sein.

Interview: Ariane Attrodt

O

Dr. Wolfgang Krüger arbeitet als Psychother­apeut in Berlin. Mit dem Thema Liebe beschäftig­t er sich auch in seinen Büchern. In seinem neusten Werk „Liebe, Macht und Leidenscha­ft“setzt er sich beispielsw­eise mit Machtproze­ssen in Partnersch­aften auseinande­r.

Zur Person

Polizisten sein komplizier­tes Leben noch schwerer macht. Wobei Schauspiel­er Jens Harzer Tukur sogar die Schau stiehlt. Zum Glück kratzen Drehbuchau­tor Erol Yesilkaya und Regisseur Sebastian Marka (in kinogerech­ten Breitwandb­ildern) noch die Kurve in Richtung Krimi und eines spannenden, wenn auch sehr melodramat­ischen, Finales. Insgesamt fällt „Es lebe der Tod“ein wenig zurück hinter den Murot-„Tatort“-Produktion­en „Im Schmerz geboren“mit seinen Westernund Shakespear­e-Anspielung­en und „Wer bin ich?“, wo Tukur in einer zweiten Ebene auf sich selbst traf.

Unser Tipp: Trotzdem anschauen, trotz der genannten Mängel. Weil man sieht, was am Sonntagabe­nd zur besten Sendezeit an Experiment möglich ist. Rupert Huber

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Foto: HR Murot (U. Tukur, rechts) und Steinmetz (J. Harzer) sind auf einer Ebene.
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Foto: Krüger Wolfgang Krüger kennt sich mit dem Thema Liebe aus.
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