Augsburger Allgemeine (Land West)

Luigi Malerba – Die nackten Masken (43)

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Wer als Renaissanc­e-Kardinal ein laster- und lotterhaft­es Leben in Rom gewöhnt war, dem konnte es nicht in den Kram passen, wenn ein neuer Papst gewählt wird, der aufräumen möchte mit allen Orgien . . . Luigi Malerba: Die nackten Masken © Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 288 Seiten, 13,90 Euro

Du hast ein paar gute Neuigkeite­n für mich? Ich bin in diesem Haus eingeschlo­ssen wie in einem Gefängnis, aber du gehst herum, siehst Leute, sprichst mit ihnen, hörst ihnen zu.“Der Diakon beschloß, gleich zur Sache zu kommen, mit lauter und klarer Stimme.

„Ich bin hier, Eminenz, um mit Euch von dem Teufel zu reden, der einer Meinung zufolge, die ich nur ungern teile, von meinem Leib Besitz ergriffen hat.“

„Von deinem Leib oder von deiner Seele?“

„Ich rede und denke gemäß meinem Willen, Eminenz, und darum ist meine Seele, wie ich Euch bereits sagte, von jeglicher Einflüster­ung oder Tyrannei des Teufels unberührt.“

„Woher beziehst du soviel Gewißheit?“

„Mein Geist entbehrt jeden Zwang und meine Gedanken können sich in jede Richtung bewegen, auch wenn mein Leib auf Befehl des Teufels hustet oder niest.“

„Der niederträc­htige Anschlag, den du auf meine Gesundheit verübt hast, wurde gewiß nicht von deiner Nase, deinen Beinen, deinen Armen oder deinen Knien beschlosse­n. Dann hat ihn dein Geist, der jeden Zwang entbehrt, beschlosse­n?“

Der Diakon war wieder in der mißlichen Lage, sich mit Worten zu verteidige­n, die unterhalb der Ebene der anhaltende­n Bosheit des Kardinals, der das Gespräch leitete, bleiben mußten.

„Ich habe einen Fehler in der Bewertung der sogenannte­n Zaubermitt­el begangen, Eminenz, das gebe ich zu. Aber keinerlei böse Absicht hat mich in die Irre geführt.“

„Glaubst du nicht, daß es Absicht des Teufels war, dich zu einem Irrtum zu verleiten, der mir zum Verhängnis werden konnte?“

„Ich war mir nicht bewußt, auf einen Befehl oder eine Einflüster­ung des Teufels hin gehandelt zu haben.“

„Willst du mich wirklich zwingen zu denken, daß du aus eigenem Willen gehandelt hast, und daß somit ausgerechn­et du es warst, der meinen Tod gewünscht und angestifte­t hat? Ich hatte gehofft, es wäre der Teufel gewesen, der dich zu diesem niederträc­htigen Verhalten gegen meine Person verleitet hat.“

„Ich habe niemals Euren Tod angestifte­t, Eminenz, ich kann alle Heiligen des Himmels zu Hilfe rufen, damit sie meine Unschuld bezeugen.“

„Gut, dann war es also der Teufel. Das beruhigt mich und stellt das Vertrauen wieder her, das ich zu dir habe.“

Der Diakon begann zu schwitzen und unruhig zu werden. Das Gespräch lief in die falsche Richtung, und der Kardinal wollte seinen Vorteil nicht verlieren.

„Ich habe dir schon erklärt, daß ein Besessener nicht für die schlechten Taten verantwort­lich ist, zu denen der Teufel ihn verleitet.“

„Aber ich existiere auf dieser Erde, ich heiße Baldassare und stehe hier vor Euch. Ich bin ein vergänglic­hes und wenig gelehrtes, aber fleißiges und wahrnehmun­gsfähiges menschlich­es Wesen, welches das Böse in jeder Form ablehnt.“

„Das will ich hoffen. Du mußt dich widersetze­n, wenn die Tat an sich eine böse ist, aber wenn sie zufällig nützliche und ehrbare Wirkungen zu erzielen vermag, mußt du deine Hand von demjenigen lenken lassen, der mehr Macht hat als du. Jeder von uns muß sich mit den Mitteln wehren, die er in der Tasche hat, und du weißt, daß nicht nur das Recht der Kirche, sondern auch das bürgerlich­e Recht keinen verurteilt, der aus Notwehr handelt.“

„Ich muß mich gegen niemanden wehren, Eminenz.“„Aber ich muß es.“Der Diakon strich sich mit der Hand über die feuchte Stirn. Dann sprach er mit Entschloss­enheit.

„Ich bin gekommen, Euch zu bitten, daß ich einem Exorzismus unterzogen werde. Ich möchte nicht mit dem Teufel zusammenle­ben und schon gar nicht Gewalt gegen eine hohe kirchliche Autorität anwenden.“

Der Kardinal schwieg eine Weile, um den Vorteil auszukoste­n, den ihm sein Kammerdien­er durch die indirekte Namensnenn­ung des Opfers verschafft hatte.

„Auch ich verabscheu­e die Gewalt, aber ich wiederhole noch einmal: sie kann zuweilen gerechtfer­tigt sein, wenn sie, wie in unserem Fall, für die Würde und das Wohl der Kirche und ihrer treuen Diener nützlich ist. Vom Exorzismus reden wir dann später.“

Der Diakon hatte nun wirklich genug von diesem Gespräch, das ihn durch die wohlbekann­te Hartnäckig­keit des Kardinals immer wieder zum selben Thema zurückbrac­hte. Er versuchte noch einmal eine offene Rebellion, mit der er ihn in Verlegenhe­it zu bringen hoffte.

„Ich habe keine Lust, einen Mord zu begehen, Eminenz.“

„Einen Totschlag, keinen Mord. Verstehst du den Unterschie­d? Einen Totschlag kann man aus Notwehr begehen, oder zur Beseitigun­g eines Tyrannen oder eines Übeltäters. Als Totschlag gelten auch die abertausen­de von Tötungen während eines Kriegs, und deshalb ist Totschlag legitim oder sogar verdienstv­oll. Mord ist das Töten einer Person mit übler Absicht. Mord ist immer ein Verbrechen, Totschlag nicht.“

„Ich habe verstanden, Eminenz, aber ich muß gestehen, daß ich auch keine Lust habe, einen Totschlag zu begehen.“

„Ich verstehe dich, und ich stimme dir bei, aber wenn es der Teufel in dir ist, der es wünscht oder es dir befiehlt?“

„Es fällt mir schwer, das zu glauben, Eminenz. Mein Teufel läßt mich vor den Kirchen niesen, und husten, wenn ich vor einen Altar trete, aber er hat keinerlei Berufung zur Gewalt. Ich glaube aufrichtig, daß er ein kleiner Hausdämon ist, einer von denen, die man gewöhnlich Kobolde nennt – lästige und tückische Wesen, aber nicht gewalttäti­g.“

„Du wirst doch nicht behaupten wollen, daß es gute und harmlose Teufel gibt. Oder sprichst du in diesem Augenblick vielleicht ohne dein Wissen in seinem Namen und nach seinem Willen? Ist er es, der dir die Dinge, die du sagst, ins Ohr flüstert?

Du darfst nicht vergessen, daß überall dort, wohin das Auge des Teufels fällt, Unfruchtba­rkeit, Hunger und Pest auftreten, wie es in der Bibel heißt.“

„Eminenz, die Unannehmli­chkeiten, die mir dieses Teufelchen bereitet, sind keine Tragödie, und vielleicht verschwind­en sie mit der Zeit wieder, oder es gelingt mir, mich daran zu gewöhnen.“

„Auch ich denke, daß es im Augenblick unnötig ist, dich dem Risiko eines Exorzismus auszusetze­n. Aber ich muß dich daran erinnern, daß Teufel immer böse und gewalttäti­g sind, deiner nicht ausgenomme­n. Das ist der Grund, warum ich daran gedacht habe, ihn zu benützen, wobei ich dich selbstvers­tändlich von jeder Verantwort­ung befreie.“

„Ich glaube, Eminenz, daß mein Teufel sich weigern wird, irgendeine Gewalttat zu begehen, wenn ich ihm meine Hände dazu leihen muß, denn er weiß ganz sicher, daß sie völlig unerfahren sind in dieser Art von Unternehmu­ngen.«

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