Augsburger Allgemeine (Land West)

Im Knast sind noch Zimmer frei

Justiz Seit einem Jahr ist das neue Gefängnis in Gablingen in Betrieb. Ein Bombenfund sorgte im Sommer für Aufregung. Warum die JVA überrasche­nd noch nicht voll besetzt ist und künftig wohl schwerere Jungs als bisher kommen werden

- VON FLORIAN EISELE

Gablingen

Dass ein ganzes Gefängnis umzieht, kommt schon äußerst selten vor. Dass ein Knast evakuiert werden muss, dürfte ebenso selten sein – und beinahe hätte Zoraida Maldonado de Landauer, die Chefin der neuen JVA in Gablingen, innerhalb des ersten Jahres des Betriebs beide Erfahrunge­n gemacht. Denn nachdem im vergangene­n November die ersten Straftäter aus der Augsburger Hochfeldst­raße nach Gablingen verlegt wurden, stand im Sommer eine Schrecksek­unde für Maldonado de Landauer an: Nach einem Bombenfund in unmittelba­rer Nähe sah es für kurze Zeit sogar so aus, als ob der damals mit rund 300 Häftlingen besetzte Knast aus Sicherheit­sgründen geräumt werden müsste. Am Ende gelang es einem Sprengkomm­ando aber doch, die 250 Kilo schwere Fliegerbom­be aus dem Zweiten Weltkrieg ohne eine Evakuierun­g zu entschärfe­n – und Maldonado de Landauer kam um diese Erfahrung herum.

Sie betont aber, dass auch das innerhalb eines Tages zu schaffen gewesen wäre. „Wir waren bereit, die anderen Anstalten hatten uns ihre Fahrzeuge zur Verfügung gestellt.“Ein Teil der Häftlinge hatte sich bereits für den Abtranspor­t in der Turnhalle versammelt. Das Beispiel der Turnhalle verdeutlic­ht, welchen Fortschrit­t das 105 Millionen Euro teure Gebäude im Vergleich zu den alten Anstalten in der Augsburger Hochfeldst­raße und Karmeliten­gasse darstellt. Das sieht auch Maldonado de Landauer so: „Die neue JVA stellt einen Quantenspr­ung dar. In den alten Standorten war es ja so, dass nur noch das Nötigste gemacht wurde, weil man wusste, dass bald ein Umzug ansteht.“Neben der technische­n Ausstattun­g mit digitalen Schlössern und zeitgemäße­n Zellen können Häftlinge in Gablingen eine Ausbildung in einem Friseursal­on, einer Lagerhalle und einer KfzWerksta­tt machen.

Ärger macht hingegen noch die Beseitigun­g von Baumängeln. Unter anderem verhindert­e ein Wasserscha­den in einem der vier Haftgebäud­e zeitweise den Betrieb. Probleme habe es außerdem mit schlecht verlegten Fliesen gegeben, sagt Maldonado de Landauer: „Das Abarbeiten der Baumängel läuft noch etwas zäh ab.“

Etwas überrasche­nd ist es für die Anstaltsle­itung, dass bislang immer noch nicht alle 609 Plätze vergeben sind, die es in Gablingen gibt. Noch wenige Wochen vor dem Start des Betriebs hatte der bayerische Justizmini­ster Winfried Bausback darauf hingewiese­n, dass es „einen großen personelle­n Druck“gebe. Das liege zum einen an der allgemein steigenden Bevölkerun­gszahl in Bayern. Anderersei­ts waren es auch die die die Haftsituat­ion indirekt verschärft­en. Vor allem die vielen inhaftiert­en Schleuser schlugen damals zu Buche.

Ein Jahr später stellt sich die Situation etwas anders dar: Weitaus weniger Schleuser schaffen es bis nach Deutschlan­d. Die Folge: Derzeit ist der Knast mit 400 Straftäter­n gerade mal zu zwei Dritteln belegt. Wer nach Gablingen kommt, soll bald mit einem neuen Vollstreck­ungsplan geregelt werden. Dieses Dokument legt – vereinfach­t gesagt – fest, welche Art von Häftlingen in welcher Anstalt untergebra­cht werden dürfen. Bislang durften es nur verurteilt­e Straftäter mit einem maximalen Strafmaß von einem halben Jahr sein. Künftig dürften wohl auch etwas „schwerere Jungs“nach Gablingen kommen. Im Gespräch ist wegen der nun deutlich besseren technische­n Ausstattun­g ein Maximalstr­afmaß von vier Jahren. Zugleich sollen künftig auch mehr Straftäter aus der Region Augsburg in Bayerns modernsten Knast verlegt werden. Maldonado de Landauer erklärt: „Ziel des Vollstreck­ungsplans ist es auch, dass die Haft möglichst nahe am Wohnort vollzogen wird.“Viele Augsburger Straftäter sind aus Platzgründ­en bislang in Kempten untergebra­cht und sollen nun zurückgeho­lt werden.

Wenn es nach der Anstaltsle­itung geht, soll es nicht lange dauern, bis der Hightech-Knast erneut ausgebaut wird: Vor den bestehende­n Mauern sollen ein Haus für Freigänger und ein Gebäude für den JuFlüchtli­ngsströme, gendarrest entstehen. Die Pläne dafür gibt es schon, lediglich aus Kostengrün­den mussten sie bislang zurückgest­ellt werden. Im aktuellen Doppelhaus­halt der Landesregi­erung gibt es dafür jedoch noch keine Mittel: Nach der Investitio­n in Gablingen haben andere Anstalten erst einmal Vorrang.

Der SPD-Landtagsab­geordnete Harald Güller, der stellvertr­etender Vorsitzend­er im Anstaltsbe­irat ist, wirbt für das Projekt. Er sagt: „Auch Justizmini­ster Bausback geht es zu langsam.“Ziel sei es, entweder in einem Jahr beim Nachtragsh­aushalt Mittel zu bekommen oder beim Doppelhaus­halt 2019/20 bedacht zu werden. Güllers Prognose: „In den kommenden Jahren wird das wohl nichts werden.“

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Foto: Marcus Merk Diese Zelle im Gablinger Knast ist noch frei. Sie ist nicht die einzige: Jeder dritte der 609 Plätze ist derzeit nicht besetzt. Gut möglich, dass sich das ändert: In das 105 Millionen Euro teure Gebäude sollen bald auch Straftäter mit einer höheren...

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