Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn jede Minute zählt

Medizin Bei der Behandlung eines Schlaganfa­lls ist Eile geboten. Auf welche Warnsignal­e zu achten sind

- VON WALTER KAISER

Günzburg

Über allem steht die Maxime: „Jede Minute zählt.“Dann nämlich, wenn es um einen Schlaganfa­ll geht. Bei der Behandlung eines Hirninfark­ts ist nicht zuletzt Eile geboten. Denn jede Verzögerun­g um 30 Minuten verringert die Aussichten auf Heilung um etwa acht Prozent. Beim 2. Schlaganfa­llSymposiu­m des Neurologis­chen Netzwerks Nevas im Festsaal des Bezirkskra­nkenhauses (BKH) Günzburg wurden deshalb am Samstag nicht nur Behandlung­smethoden und Studien vorgestell­t. Alle Redner appelliert­en an die Bürgerinne­n und Bürger, jedes Anzeichen für einen Schlaganfa­ll (siehe Infokasten) ernst zu nehmen. Prof. Gerhard Hamann, der Ärztliche Direktor der Klinik für Neurologie und neurologis­che Rehabilita­tion am BKH: „Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig zum Arzt.“

Bei der Erkennung und Behandlung von Schlaganfä­llen sind die Menschen in der Region Günzburg gewisserma­ßen privilegie­rt. Denn das Bezirkskra­nkenhaus verfügt nicht nur über eine Stroke Unit, also eine auf Schlaganfa­ll-Patienten spezialisi­erte Abteilung. Das BKH ist neben München-Großhadern und Ingolstadt auch eines von drei Leis- tungszentr­en in Südwestbay­ern – kann also Behandlung auf allerhöchs­tem Niveau bieten. Und die Wege in die Klinik sind für Landkreisb­ürger denkbar kurz.

Vor drei Jahren ist das neurologis­che Netzwerk Nevas ins Leben gerufen worden. Ziele sind vorrangig: eine noch schnellere Versorgung der Patienten auch in ländlichen Gebieten, eine bessere Kommunikat­ion und Kooperatio­n zwischen den Kliniken, die möglichst rasche und reibungslo­se Verlegung besonders dramatisch­er Fälle in eines der Leistungsz­entren und damit der allgemeine Zugang zu Spitzenmed­izin sowie die Schulung des Klinikpers­onals.

Netzwerkko­ordinator ist Dr. Christophe­r Adamczyk vom UniKliniku­m in Großhadern. Er erklärte, der Südwesten Bayerns sei „flächendec­kend weitgehend versorgt.“Lediglich in einigen Gebieten des Allgäus bestehe noch größerer Nachholbed­arf. Rund 85 Prozent aller Patienten seien binnen einer Stunde in einer Klinik, Zielmarke sind 90 Prozent. Der Koordinato­r: „Daran arbeiten wir.“2015 sind etwa 9000 Schlaganfa­ll-Patienten über Nevas versorgt worden.

In manchen Regionen bestehe Optimierun­gsbedarf bei der stationäre­n (Erst-)Behandlung vor Ort, erklärte auch Prof. Thomas Pfefferkor­n vom Klinikum Ingolstadt. „Ein Zeitfresse­r“sei noch die Verlegung von Patienten in eines der drei Leistungsz­entren. Die durchschni­ttlichen 95 Minuten seien zu lang. Deshalb müssten weitere Verbesseru­ngen umgesetzt werden. Mit der Bereitstel­lung entspreche­nder Ressourcen sei die Politik gefordert, ein Problem sei ferner, dass viele Krankenkas­sen die Verlegungs­transporte nicht bezahlen wollen. Die Referenten auch aus anderen Kliniken waren sich aber einig: Nevas sei ein großer Fortschrit­t. Im Südwesten Bayerns sei bei der Behandlung von Schlaganfa­ll-Patienten ein Niveau erreicht, an dem andere Regionen Deutschlan­ds erst noch arbeiten müssten.

Über die am BKH Günzburg angewandte­n Methoden und Techniken sowie über neuere Studien informiert­en bei dem Symposium neben Prof. Gerhard Hartmann auch der Günzburger Oberarzt Dr. Robert Müller und Prof. Bernd Schmitz von der Uniklinik für diagnostis­che und interventi­onelle Radiologie in Ulm. Auch sie wiesen immer wieder darauf hin: Die besten Therapien und Strukturen können verpuffen, wenn Patienten die Symptome eines Schlaganfa­lls nicht hinreichen­d ernst nehmen.

 ?? Foto: Walter Kaiser ?? „Jede Minute zählt“lautet die Maxime bei der Behandlung von Schlaganfa­ll-Patienten. Warnsignal­e des Körpers sollten deshalb unbedingt beachtet werden, betonten bei einer Fachtagung am Bezirkskra­nkenhaus Günzburg (von links) Oberarzt Robert Müller,...
Foto: Walter Kaiser „Jede Minute zählt“lautet die Maxime bei der Behandlung von Schlaganfa­ll-Patienten. Warnsignal­e des Körpers sollten deshalb unbedingt beachtet werden, betonten bei einer Fachtagung am Bezirkskra­nkenhaus Günzburg (von links) Oberarzt Robert Müller,...

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