Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn jede Minute zählt
Medizin Bei der Behandlung eines Schlaganfalls ist Eile geboten. Auf welche Warnsignale zu achten sind
Günzburg
Über allem steht die Maxime: „Jede Minute zählt.“Dann nämlich, wenn es um einen Schlaganfall geht. Bei der Behandlung eines Hirninfarkts ist nicht zuletzt Eile geboten. Denn jede Verzögerung um 30 Minuten verringert die Aussichten auf Heilung um etwa acht Prozent. Beim 2. SchlaganfallSymposium des Neurologischen Netzwerks Nevas im Festsaal des Bezirkskrankenhauses (BKH) Günzburg wurden deshalb am Samstag nicht nur Behandlungsmethoden und Studien vorgestellt. Alle Redner appellierten an die Bürgerinnen und Bürger, jedes Anzeichen für einen Schlaganfall (siehe Infokasten) ernst zu nehmen. Prof. Gerhard Hamann, der Ärztliche Direktor der Klinik für Neurologie und neurologische Rehabilitation am BKH: „Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig zum Arzt.“
Bei der Erkennung und Behandlung von Schlaganfällen sind die Menschen in der Region Günzburg gewissermaßen privilegiert. Denn das Bezirkskrankenhaus verfügt nicht nur über eine Stroke Unit, also eine auf Schlaganfall-Patienten spezialisierte Abteilung. Das BKH ist neben München-Großhadern und Ingolstadt auch eines von drei Leis- tungszentren in Südwestbayern – kann also Behandlung auf allerhöchstem Niveau bieten. Und die Wege in die Klinik sind für Landkreisbürger denkbar kurz.
Vor drei Jahren ist das neurologische Netzwerk Nevas ins Leben gerufen worden. Ziele sind vorrangig: eine noch schnellere Versorgung der Patienten auch in ländlichen Gebieten, eine bessere Kommunikation und Kooperation zwischen den Kliniken, die möglichst rasche und reibungslose Verlegung besonders dramatischer Fälle in eines der Leistungszentren und damit der allgemeine Zugang zu Spitzenmedizin sowie die Schulung des Klinikpersonals.
Netzwerkkoordinator ist Dr. Christopher Adamczyk vom UniKlinikum in Großhadern. Er erklärte, der Südwesten Bayerns sei „flächendeckend weitgehend versorgt.“Lediglich in einigen Gebieten des Allgäus bestehe noch größerer Nachholbedarf. Rund 85 Prozent aller Patienten seien binnen einer Stunde in einer Klinik, Zielmarke sind 90 Prozent. Der Koordinator: „Daran arbeiten wir.“2015 sind etwa 9000 Schlaganfall-Patienten über Nevas versorgt worden.
In manchen Regionen bestehe Optimierungsbedarf bei der stationären (Erst-)Behandlung vor Ort, erklärte auch Prof. Thomas Pfefferkorn vom Klinikum Ingolstadt. „Ein Zeitfresser“sei noch die Verlegung von Patienten in eines der drei Leistungszentren. Die durchschnittlichen 95 Minuten seien zu lang. Deshalb müssten weitere Verbesserungen umgesetzt werden. Mit der Bereitstellung entsprechender Ressourcen sei die Politik gefordert, ein Problem sei ferner, dass viele Krankenkassen die Verlegungstransporte nicht bezahlen wollen. Die Referenten auch aus anderen Kliniken waren sich aber einig: Nevas sei ein großer Fortschritt. Im Südwesten Bayerns sei bei der Behandlung von Schlaganfall-Patienten ein Niveau erreicht, an dem andere Regionen Deutschlands erst noch arbeiten müssten.
Über die am BKH Günzburg angewandten Methoden und Techniken sowie über neuere Studien informierten bei dem Symposium neben Prof. Gerhard Hartmann auch der Günzburger Oberarzt Dr. Robert Müller und Prof. Bernd Schmitz von der Uniklinik für diagnostische und interventionelle Radiologie in Ulm. Auch sie wiesen immer wieder darauf hin: Die besten Therapien und Strukturen können verpuffen, wenn Patienten die Symptome eines Schlaganfalls nicht hinreichend ernst nehmen.