Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Frage der Woche Optimistisch bleiben?
Ja, es ist natürlich alles ganz schlimm. Die Welt im Großen – Trump und Putin und Erdogan – wie im Kleinen – kaputte Autobatterie am Morgen, Halsweh am Abend und mieses Novemberwetter den ganzen Tag – voller Zumutungen. Da kann, nein, muss man auch mal jammern. Aber dann: Hilft ja nichts. Interessiert ja keinen. Das Leben geht weiter. Und wir machen weiter. Weil es gar nicht anders geht. Optimismus ist alternativlos!
Ist das nicht ein klitzekleines bisschen naiv, wenn man so redet? Nein, liebe UntergangsApologeten, selbst ernannte Realisten, schlecht getarnte Fatalisten. Wenn man nicht glaubt, dass hinter all der Mühsal noch etwas kommt, wofür sich das Weitermachen lohnt, dann … Ja, was dann? Deckel zu, Affe tot?
Optimismus ist die einzige Art, nicht am Leben zu verzweifeln, eine Art innere Emanzipation vom Weltschmerz. Wer sich die Deutungshoheit über sein Leben bewahrt, selbst bestimmt, wie er auf die Welt blickt, hat vielleicht den größten Grad persönlicher Freiheit erreicht. Und den sollte man nicht einfach so aufgeben, nur weil gerade der nächste PopulistenSpringteufel aus seiner Box springt. Pessimismus heißt Resignation, Rückzug auf sich selbst und Hissen der weißen Flagge. Ist doch eh längst alles ins Rutschen geraten, wir haben es nur noch nicht gemerkt? Die Welt aus den Fugen, die Karriere gelaufen, das Leben ein Witz? Falsch! Die Geschichte ist nicht vorherbestimmt, das Schicksal nicht nur ein mieser Verräter, sondern auch ein Typ mit ziemlich schrägem Humor. Und, zum Schluss noch mal ganz ernst: Optimismus ist eine harte Währung der Politik. Oder was sagt man all den Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten? Und jenen, die sie hier empfangen haben?
Wohl kaum einer wird widersprechen, wenn man sagt, der aktuelle Zustand der Welt sei besorgniserregend. Und natürlich kann es trotzdem nicht darum gehen, jetzt alle Hoffnung fahren zu lassen oder nur noch auf das Üble zu blicken und das Schlechteste zu erwarten. Aber optimistisch sein? Nach dem lateinischen „optimum“vom Besten ausgehen und also das Beste erwarten? Und, wie die Erweiterungen zu „-ismus“und „-istisch“zeigen, das auch noch aus Prinzip zu tun? Aber wahrscheinlich ginge es auch nur noch so, als blinder Optimismus, der in etwa auf dem kritisch unkritischen Niveau, dem reinen Glauben des Gesundbetens anzusiedeln ist. Denn aus welchem Grund sollte man otimistisch sein? Weil’s uns doch persönlich gut geht und auch die konjunkturellen Aussichten nicht so schlecht sind? Und weil’s doch noch immer weitergegangen und wieder gut geworden ist? Nein, zur Zuversicht besteht derzeit zu wenig Anlass und ohne einen solchen kann der Optimismus nur ein blinder sein. Die Amerikaner nennen das Prinzip „Hail Mary“– also oh, oh, Maria hilf…
Somit bleiben im Grunde zwei Perspektiven auf die besorgniserregende Welt. 1. Der Blick der Vernunft. Und der bedeutet beim jetzigen Zustand der Welt: Sorge. Wohin steuert unsere Gesellschaft, Deutschland, Europa, Amerika, die Türkei, Russland – die Welt? Und Sorge heißt: sich kümmern. Also: kritisch beobachten, sich austauschen, sich einmischen. Tatkraft und Besorgnis schließen sich nicht aus. Wohl aber Optimismus und Besorgnis. 2. Man blickt auf die hübsche Blume am Wegesrand, freut sich daran und lebt ansonsten im Vertrauen auf Gottes Güte. Optimistisch, das ist der prinzipiell verblümte Blick. Darüber aber lässt sich dann eben auch nicht ernsthaft reden.