Augsburger Allgemeine (Land West)
Thema verfehlt
Noch sitzt die AfD nicht im Bundestag – viele ihrer Anhänger aber werden sich durch die Generaldebatte gestern in ihrem abschätzigen Urteil über die etablierten Parteien bestätigt fühlen. Eine Kanzlerin, die ihre Flüchtlingspolitik nur beiläufig streift, eine Oppositionsführerin, die sich zu der gewagten These versteigt, der einfache Bürger kämpfe ums Überleben, als herrschten in Deutschland Hunger und Dürre, und ein Fraktionschef der SPD, der die Kollegin von der Linken so auseinandernimmt, dass sich jede weitere Spekulation über eine rot-rot-grüne Koalition fast von selbst verbietet: Zehn Monate vor der Wahl kreist das politische Berlin vor allem um sich selbst.
Der pointierte Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition gehört zu einer Haushaltsdebatte wie die Kuppel auf den Reichstag. So kurz nach der US-Wahl aber hat der Triumph von Donald Trump der Kanzlerin eine willkommene Gelegenheit geboten, an dem Problem vorbeizureden. Die Menschen draußen im Land allerdings stellen sich sehr konkrete Fragen: Was, wenn Italien dem Andrang der Flüchtlinge nicht mehr Herr wird? Hat Deutschland einen Plan B für den Fall, dass die Türkei das Rücknahmeabkommen aufkündigt? Und, nicht zuletzt: Wann schafft es unsere Asylbürokratie endlich, sauber zwischen den Menschen zu unterscheiden, die Schutz benötigen, und denen, die wieder in ihre Heimatländer zurückmüssen?