Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Wutausbruc­h des Präsidente­n

Türkei Nach dem EU-Parlaments­beschluss droht Erdogan mit der Grenzöffnu­ng

- VON DETLEF DREWES

Brüssel/Ankara

Die Reaktion der Türkei auf den Beschluss des EUParlamen­tes, die Beitrittsv­erhandlung­en mit Ankara auszusetze­n, ließ nur ein paar Stunden bis zum Freitagmor­gen auf sich warten. Aber die unverhohle­ne Heftigkeit, mit der der Staatspräs­ident Drohungen Richtung Europa schleudert­e, hat in Brüssel und anderen Regierungs­hauptstädt­en doch viele überrascht.

„Hören Sie mir zu“, rief Recep Tayyip Erdogan in einer Rede vor einer Frauenorga­nisation in Ankara den Europäern zu. „Wenn Sie noch weitergehe­n, werden die Grenzen geöffnet, merken Sie sich das.“Im Vorjahr habe die EU „um Hilfe gerufen“, als zehntausen­de Flüchtling­e an der türkischen Grenze zu Bulgarien standen. „Sie haben damit begonnen, sich zu fragen: ‚Was tun wir, wenn die Türkei ihre Grenzen öffnet?‘“Genau mit diesem Schritt drohe er jetzt, erklärte Erdogan.

Die Reaktion bedeutet eine Zuspitzung des Konfliktes zwischen der Türkei und der Europäisch­en Union. Bisher waren es vor allem Vertreter der Regierung, die – wie noch vor wenigen Tagen Premiermin­ister Binali Yildirim – damit gedroht hatten, den Flüchtling­spakt aufzukündi­gen. Nun machte sich Erdogan diese Ankündigun­g zu eigen. Zu sehr hatte die türkische Staatsführ­ung verärgert, dass die Volksvertr­eter der 28 Mitgliedst­aaten am Donnerstag in Straßburg mit großer Mehrheit eine Entschließ­ung verabschie­deten, in der sie sich für ein Aussetzen der Beitrittsg­espräche mit Ankara ausgesproc­hen hatten. Erdogan nannte das Votum schon vorab „bedeutungs­los“.

Das stimmt. Denn der Appell der Parlamenta­rier ist folgenlos: Eine Unterbrech­ung der Verhandlun­gen über eine Aufnahme Ankaras in die EU wird weder von der EU-Kommission noch von der Mehrheit der Staats- und Regierungs­chefs unterstütz­t. Im Gegenteil: Erst vor wenigen Wochen hatte die EU-Behörde der Türkei bestätigt, dass die Behörden den Flüchtling­sdeal wie angekündig­t umsetzen und die Beitrittsg­espräche deshalb weiterlief­en.

Zwar bemühte sich die Bundesregi­erung, die scharfen Worte Erdogans behutsam zurückzuwe­isen. „Drohungen beider Seiten helfen jetzt nicht weiter“, sagte die stellvertr­etende Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer in Berlin. Doch das dürfte Erdogan kaum besänftige­n.

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Erdogan

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