Augsburger Allgemeine (Land West)
Wo liegt die Grenze des Wachstums?
Immobilen Grund und Boden sind sehr gefragt. Das sorgt für Schwierigkeiten
Landkreis Augsburg
Wer in Graben einen Bauplatz will, braucht neben dem nötigen Kleingeld die richtigen Eltern, ein paar gute Gründe und am Ende jede Menge Glück. Denn als im Sommer in der Lechfeldgemeinde 170 Bewerber für die letzten 16 Paarzellen auf der Matte standen, entschloss sich der Gemeinderat zu einem radikalen Schnitt. Zuerst wurden die auswärtigen Interessenten von der Liste gestrichen. Die einheimischen Bewerber – immer noch an die 100 – müssen nun anhand eines Fragenkatalogs belegen, wie dringend ihr Anliegen ist. Aber auch dann wird es mehr Käufer als Angebote geben, vermutet Bürgermeister Andreas Scharf: „Und dann werden wir losen.“
Wer Scharf nach den Gründen für den Ansturm fragt, erhält im Grunde drei Antworten. Da sind zum einen die europaweit niedrigen Zinsen und die günstigen Preise in Graben, die laut Scharf in etwa bei einem Drittel der Königsbrunner liegen. Gleichzeitig sei eine Generation von Einheimischen herangewachsen, die jetzt an den Eigenheimbau denkt. Und drittens: „Viele Leute haben ganz einfach das Geld.“Und das wird derzeit nicht nur in Graben lieber in Steine als in Sparbriefe investiert. Die kleine Gemeinde auf dem Lechfeld, verkehrsgünstig an der B 17 gelegen, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Meist habe man auch auswärtigen Bewerbern zu vergleichsweise morderaten Preisen etwas anbieten können, sagt Scharf. Damit ist es jetzt vorbei – und das nicht nur in Graben. Wie eine Umfrage unserer Zeitung zeigt, hat inzwischen weniger als ein Drittel der Gemeinden kommunale Bauplätze im Angebot. Oft gibt es nur noch von privater Seite etwas – und da schwanken Preise und Verkaufsbereitschaft
richt auf Seite 1). (siehe Be
Etliche Gemeinden im Landkreis planen jetzt die Ausweisung neuer Baugebiete. Vom Aufbau der Augsburger Uni-Klinik erwarten sich zum Beispiel gerade die Kommunen im Westen von Augsburg einen weiteren Schub. Wirtschaftlich scheint das Risiko bei der derzeitigen Nachfrage für die Kommunen überschaubar.
Aktuell jedenfalls wird so viel gebaut wie lange nicht. Bis Ende September wurden im Landkreis exakt 986 Baugenehmigungen für Wohnbauten, Sanierungsmaßnahmen und Nichtwohngebäude erteilt. Gegenüber den ersten neun Monaten des Vorjahres ist das bis jetzt ein Plus von 237 Bauvorhaben oder 31,6 Prozent. Insgesamt sind 1033 Wohnungen geplant, und damit 153 oder 17,4 Prozent mehr als bis dato im Vorjahr. Zunehmend schwierig wird es für die Kommunen allerdings, an die nötigen Grundstücke zu kommen. Zudem stellt sich die Frage, ob man noch mehr Landschaft zubauen muss, wenn in den Kernorten die Häuser leer stehen.
Pro Jahr werden im Landkreis etwa 200 Hektar Fläche zugebaut. In den vergangenen 25 Jahren wuchsen die bebauten Flächen für Straßen, Häuser, Sportplätze oder Fabriken um 36 Prozent – die Bevölkerung nahm im gleichen Zeitraum um 23 Prozent zu.
Mit Unterstützung der Europäischen Union gibt es deshalb schon seit einigen Jahren ein Projekt, das leer stehende Häuser und Höfe in den Ortsmitten wieder beleben und bestehende Baulücken füllen sollte. Sechs Gemeinden, überwiegend im Holzwinkel, beteiligten sich an dem Vorhaben, und die Anfänge im Sommer vor drei Jahren waren verheißungsvoll, erinnert sich die damalige Koordinatorin Martina Baur vom Landratsamt. Allein in Welden hätten mehr als ein Dutzend Eigentümer Verkaufsbereitschaft signalisiert. Es sei eine gemeinsame Datenbank der Holwinkelgemeinden und Altenmünsters mit gut 20 Immobilien entstanden, sagt die zuständige Regionalmanagerin Simone Hummel. Die seien inzwischen bis auf wenige Ausnahmen alle verkauft und Nachschub nicht mehr in Sicht. Die meisten Besitzer wollten die Immobilien für die Enkel-Generation zusammenhalten. Das hätten Befragungen gezeigt.
Hummel registriert trotzdem ein gestiegenes Interesse an einer weiteren Nutzung der Alt-Immobilien. Erst im Sommer hatten die Gemeinden Eigentümern eine kostenlose Bauberatung angeboten und waren damit auf sehr große Resonanz gestoßen. Kommunen, die ihre Ortskerne beleben und Baulücken füllen wollen, bräuchten einen langen Atem, sagt Koordinatorin Baur. Dabei seien vor allem die Bürgermeister gefragt. „Das muss Chefsache sein.“
Auch in Graben auf dem Lechfeld hat Andreas Scharf sein Glück versucht. Seine Bilanz fällt ziemlich ernüchternd aus. Die meisten Grundstücksbesitzer wollten einfach nichts hergeben. Gerade ehemalige Bauern scheuten einen Verkauf wegen der hohen steuerlichen Belastung. Da sei oft nichts zu machen, seufzt Scharf: „Jetzt hoffe ich auf die nächste Generation.“