Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Orange muss Fair Trade sein, die Putzkraft wird schwarz gezahlt
Fair Trade! Aber der Putzfrau zehn Euro pro Stunde auf den Tisch legen, schwarz natürlich. Weil es ihr doch so auch lieber ist…
Wer Bartmann in einigem zustimmt, ist Benedikt Franke. Also ausgerechnet jener, der Helpling mitbegründet hat und somit eine jener Plattformen, die es der Mittelschicht erlaubt, ohne große Mühe ihre Personal zu rekrutieren. Man muss nicht länger unter Bekannten herumfragen, auch der Vertrauenscheck wird ja vom Anbieter geregelt. Dass der Bedarf nach Hilfe im Haushalt oder bei der Pflege weiter wachsen wird, dass es nicht zur Ausbeutung eines neu entstehenden Dienstleistungsproletariats kommen darf und deren Arbeit mehr Anerkennung erfahren sollte, sieht Franke ebenso wie Bartmann. Zieht aber daraus andere Schlüsse: „Das wahre Problem der Branche ist nicht soziologischer, sondern ökonomischer Art: Es lautet: Schattenwirtschaft.“Und da, sagt er, helfen Plattformen wie Helpling wiederum den Dienstleistern. Alles legal nämlich, jede Putzkraft besitzt einen Gewerbeschein, ist angemeldet und versichert. Ab 13,90 Euro pro Stunde kann man einen Helpling buchen, der behält davon 11 Euro. Fazit Franke: „Die Dienstleister von heute sind keine Diener, es sind mündige Bürger, die sich für bestimmte Tätigkeiten entscheiden.“So wie zum Beispiel Lina, Helpling in Berlin, eine passionierte Reinigungskraft, wie sie auf der Website erklärt. „Putzen ist essenziell – sonst würden alle im Dreck untergehen“, sagt Lina. Diener? Quatsch. Selbstständige Putzfrau mit allen Freiheiten! „Ein Beruf, der allen anderen Jobs, die ich bisher gemacht habe – ob als Beraterin in einem Büro oder als Aushilfe in einem Hostel –, in nichts nachsteht.“
Christoph Bartmann aber befällt dennoch Ekel bei den neuen Dienstleistungsplattformen. Harte und schlecht bezahlte Arbeit werde hinter der Maske der digitalen Bequemlichkeit versteckt. Und die eigene Lebenssouveränität komme den Nutzern dabei abhanden. Er rät zur Askese am Servicebüffet. „Man muss aufpassen“, schreibt Bartmann, „dass man vor lauter Lebenserleichterung die Qualität des vollen Lebens nicht verfehlt.“Er jedenfalls putzt nun wieder selbst.