Augsburger Allgemeine (Land West)
Muss Mädchenspielzeug immer pink sein?
Familie Und das für Buben immer blau? Früher spielten Kinder mit Holzspielzeug oder gingen raus. Heute gibt es für jedes Geschlecht Produkte in eigenen Farben. Manche Kritiker sehen darin ein Problem
Nürnberg
Mit funkelnden Outfits in pinkfarbener Verpackung stehen die Puppen aufgereiht in einem Regal. Rosa Stofftiere zieren einen Stand, daneben rosafarbene Bausteine für „Prinzessinnen“oder „Fashion Girls“. Die Spielwaren für Jungs glänzen in Blau oder Schwarz, Rennautos und Action-Figuren neben Technikprodukten. Die Spielzeugwelt scheint geteilt: in Pink und Blau, Mädchen und Jungs. Für Hersteller ist dies lediglich eine Reaktion auf Kundenwünsche – für Kritiker ein Rückfall in ein Rollenverständnis der 1950er Jahre.
„Der Spielwarenmarkt ist ein relativ wettbewerbsintensiver Markt“, erklärt Marion Halfmann, Professorin für Marketing an der Hochschule Rhein-Waal. „Da müssen die Hersteller kreative Wege finden, die Produkte an den Mann zu bringen.“Das heißt auch, gezielt die Geschlechter anzusprechen – Gendermarketing.
Viele Spielzeug-Klassiker, die früher geschlechterneutral waren, werden heute in Pink und speziell für Mädchen angeboten: Von LegoPrinzessinnen-Burgen oder Kutschen über pinkfarbene Playmobil- rosa Bobby-Cars bis zur Monopoly-Edition „Boutique“. Kritiker nennen diese „Pinkisierung“der Spielwaren eine Taktik der Industrie, mehr abzukassieren. „Spielzeug, mit denen Jungs und Mädchen früher gemeinsam gespielt haben, gibt es heute oft in geschlechterspezifischen Varianten, um den Konsum zu fördern“, sagt Stevie Schmiedel, die die Initiative „Pinkstinks“gründete, um gegen limitierte Geschlechterrollen in Medien und Werbung zu kämpfen.
Spielwarenhersteller machten im vergangenen Jahr in Deutschland einen Umsatz von rund drei Milliarden Euro. Dass es beim Gendermarketing auch darum geht, bestreitet der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie nicht. „Aber es betrifft alle Industrien: Wenn eine Nachfrage da ist, dann reagiert man darauf“, sagt Geschäftsführer Ulrich Brobeil. Demnach gibt es eine immer größere Nachfrage nach spezifischen Produkten – nicht nur bei Spielzeug, und nicht nur in Sachen Geschlecht. Zudem ist eine geschlechtstypische Auswahl von Spielzeugen seiner Meinung nach auch Teil einer kindlichen Entwicklung.
Das Gendermarketing habe zudem positive Seiten, meint Axel Dammler, Chef des Marktforschungsinstituts Iconkids & Youth. „Manche Spielzeugarten haben sich durch die Pinkisierung nun auch für Mädchen geöffnet.“Als Beispiel nennt er Lego – meist ein Spielzeug für Buben. Die Produktreihe Lego Friends ist seit 2012 auf dem Markt und will mit Spielwelten wie „Reiterhof“und lilafarbener Verpackung gezielt Mädchen erreichen. Lego wolle damit Kinder anspreSets, chen, die zuvor im Sortiment nicht das passende Angebot für sich gefunden haben, sagt eine Sprecherin der Firma. Dass damit Mädchen und Buben in ihren Spielwelten getrennt werden, sieht man bei Lego nicht: Im Kinderzimmer könnten sich Mädchen mit ihren Spielsachen mit dem Vulkanforscher und den Ninja-Helden zusammentun und gemeinsam das Universum erobern.
Genderforscherin Schmiedel sieht die Entwicklung dennoch kritisch. Sie meint, Lego war früher stets geschlechtsneutral, bis die Firma dezidiert einen Markt für Jungs entwarf. Die neuen Produkte für Mädchen seien das Resultat der Marketingentscheidung von damals, die nun gerade gebogen wird. Doch warum ist es überhaupt wichtig, ob das Spielzeug rosa oder blau ist?
Geschlechtsforscher und Soziologen machen sich Sorgen, mit welchen Eigenschaften und Rollenbildern die Farben behaftet sind. Jungs spielen mit Rittern und Action-Figuren, ihr Spielzeug wird mit Attributen wie Mut und Stärke verbunden. Mädchen bekommen eher Beauty-Salons oder Ponyhöfe, Rosa steht für Lieblichkeit. „Mädchen werden auf eine bestimmte Spielwelt festgelegt und Geschlechterstereotypen werden wieder verstärkt“, sagt Schmiedel.
Sie räumt ein: „Natürlich haben die Hersteller keinen moralischen Auftrag – sie wollen Spielwaren verkaufen.“Die Verantwortung dafür, mit welchem Spielzeug Kinder spielen, liege letztendlich auch bei den Eltern – obwohl es sehr schwer sei, gegen den Gruppenzwang anzukommen, dem die Kinder oftmals ausgesetzt seien. Gioia Forster, dpa Online-Abruf www.augsburger-allgemeine.de