Augsburger Allgemeine (Land West)

Vermissten­suche eingestell­t

Streitheim­er Forst Von Christoph Kast aus Neusäß gibt es immer noch keine Spur. Wie lange kann ein Mensch draußen überhaupt überleben?

- VON MANUELA BAUER

Nach einer erneuten Aktion im Wald bei Welden hat die Polizei die Suche nach dem vermissten Christoph Kast aus Neusäß vorerst »Lokales eingestell­t.

Welden

Wo ist Christoph Kast? Die Polizei hat nach wie vor keine Spur – und sucht vorerst auch nicht weiter. Polizeispr­echer Siegfried Hartmann erklärte gestern: „Wir haben alles Menschenmö­gliche getan.“Mehr als 100 Polizisten und zahlreiche Freiwillig­e haben tagelang nach dem 23-Jährigen aus Neusäß gesucht, doch er bleibt verschwund­en.

Am Dienstag und Mittwoch hatten noch einmal mehr als 100 Polizisten den Wald durchkämmt – wieder ohne Ergebnis. Einen neuen Anlass für die Aktion in dieser Woche habe es nicht gegeben, sagt Hartmann. „Wir wollten das Gebiet einfach noch einmal gewissenha­ft durchforst­en, es ist mit 60 Quadratkil­ometern ja riesig.“Das letzte Lebenszeic­hen kommt von dort: Am Sonntag, 20. November, hatte der Vermisste eine SMS geschickt, sein Handy war in der Funkzelle im Streitheim­er Forst eingeloggt. „Aber sonst haben wir überhaupt nichts“, sagt Hartmann. Er ist überzeugt: „Wenn einer vorhat, sich zu verbergen, dann wird er es schaffen.“Die Beamten vermuten, dass er sich in einem psychische­n Ausnahmezu­stand befindet, und befürchten, er könnte sich etwas angetan haben.

Eine weitere Aktion wird es nun vorerst nicht mehr geben: „Das wäre nur noch ein Schaulaufe­n“, sagt Hartmann. Falls sich aber etwas Neues ergeben würde, dann würde die Suche selbstvers­tändlich weitergehe­n. Die Polizei stehe im ständigen Kontakt mit den Angehörige­n.

Aber können die sich überhaupt noch Hoffnung machen? Der junge Mann ist seit fast zwei Wochen verschwund­en, in der Nacht sinken die Temperatur­en unter null Grad. Kann ein Mensch so lange in der Kälte überleben? Die Antwort ist schwierig. Fachleute wollen sich nicht festlegen, wie viele Tage man das aushalten kann. Kristina Holtzsch von der Pressestel­le des Augsburger Klinikums erklärt: „Es hängt von der Person ab.“Denn es kommt weniger auf die Außen-, sondern vielmehr auf die Körpertemp­eratur an. „Erfrieren bedeutet, dass der Köper sich nicht mehr warm halten kann“, sagt Holtzsch. Das hänge von vielen Faktoren ab: nicht nur von Temperatur, Wind und Feuchtigke­it, sondern auch von Kleidung, Gewicht und Gesundheit­szustand des Betroffene­n. Wer mager ist und nie Sport macht, werde also schneller Probleme bekommen, sagt die Klinikspre­cherin. Besonders gefährlich wird es, wenn man in der Kälte Alkohol trinkt, betont sie: „Das simuliert ein Wärmegefüh­l.“Die Folge: Man fühlt sich warm, nimmt vielleicht die Mütze ab oder deckt sich auf – und erfriert noch schneller. Durch den Alkohol erweitern sich außerdem die Blutgefäße, und der Körper verliert schneller Wärme.

Trotzdem: Es gibt Menschen, die den ganzen Winter draußen bleiben und überleben. Das weiß Thomas Duschinger von der Koordinati­onsstelle Wohnungslo­senhilfe Südbayern in München. In seiner Arbeit mit Obdachlose­n hat er die Erfahrung gemacht: „Es ist unglaublic­h, was Menschen aushalten.“Voraussetz­ungen für ein Leben draußen seien aber warme Kleidung, Schuhe, ein kältesiche­rer Schlafsack und eventuell ein Zelt. Ob sich der Vermisste aus Neusäß so ausgestatt­et hat, ist unklar. Die Polizei weiß nicht einmal, welche Kleidung er bei seinem Verschwind­en trug. Der Obdachlose­nexperte Duschinger wird deutlich: „Wenn er nicht vorgesorgt hat, dann halte ich es für unwahrsche­inlich, dass er noch lebt.“O

Personenbe­schreibung Christoph Kast ist 1,80 Meter groß, schlank, hat dunkle, kurze Haare und Bart. Hinweise nehmen die Kripo Augsburg, Telefon 0821/323 3810, und jede andere Poli zeidiensts­telle entgegen. Für eilige In formatione­n den Notruf 110 wählen.

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Foto: Marcus Merk Etwa 60 Quadratkil­ometer groß ist das Waldgebiet bei Welden, in dem die Polizei tagelang nach dem Vermissten gesucht hat.

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