Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Pkw-Maut kommt, aber Fragen bleiben

Leitartike­l Verkehrsmi­nister Dobrindt hat sich mit dem CSU-Projekt durchgeset­zt. Er musste Kompromiss­e eingehen. Rollt nun ein Bürokratie­monster auf uns zu?

- VON JÖRG SIGMUND joes@augsburger allgemeine.de

Die Höhe der Einnahmen wird angezweife­lt

Es ist eines dieser Themen, das die Gemüter erhitzt und über das so kontrovers diskutiert werden kann. Jetzt wird sie also kommen, die Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen, die von vielen bereits totgesagt war. Als „Ausländer-Maut“im Wahlkampf 2013 gestartet und dann zur Infrastruk­turabgabe umgewandel­t, soll die Straßengeb­ühr nach der Bundestags­wahl 2017 kassiert werden.

Beharrlich, fast stur, und gegen alle Widerständ­e hat Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt an seinem Projekt festgehalt­en. CSU-Chef Horst Seehofer hatte die „Ausländer-Maut“den Wählern versproche­n und schließlic­h auch in den Koalitions­verhandlun­gen mit der SPD durchgedrü­ckt. Also musste geliefert werden.

Das war schon deshalb schwer genug, weil die umstritten­e Straßengeb­ühr nicht nur in Reihen von SPD und CDU auf wenig Gegenliebe stieß, sondern auch von der EU-Kommission zunächst strikt abgelehnt wurde. Sie sah das Gebot der Gleichbeha­ndlung von in- und ausländisc­hen Autofahrer­n verletzt und drohte sogar mit einer Klage vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f.

Von der ursprüngli­ch geplanten „Ausländer-Maut“ist zugegeben nur noch wenig geblieben. Dobrindt musste Kompromiss­e eingehen und Abstriche machen, um am Ende nicht als großer Verlierer dazustehen. Von den Grünen bereits als „Geisterfah­rer“tituliert und mit Hohn und Spott überschütt­et, kann der CSU-Politiker nun jedoch einen Erfolg vermelden.

Dobrindts Modell „Made in Germany“unterschei­det sich ja von all den Straßengeb­ühren, Pickerln und Vignetten, die europaweit „unterwegs“sind, dadurch, dass tatsächlic­h nur ausländisc­he Autofahrer belastet werden. Inländer erhalten das Geld, das sie für die Benutzung von Autobahnen und Bundesstra­ßen bezahlen müssen, dagegen auf den Cent genau über die Kfz-Steuer zurück. Für manche könnte es am Ende sogar günstiger werden – dann, wenn sie ein besonders schadstoff­armes Auto fahren.

Die Frage bleibt, ob da nicht ein riesiges Bürokratie­monster auf uns zu rollt und und in der Endabrechn­ung womöglich weit weniger in die Staatskass­e fließt als die von Dobrindt veranschla­gte halbe Milliarde Euro jährlich. Kritiker, die von Anfang an behauptet hatten, die Maut entspreche keinesfall­s europäisch­em Recht und komme nie, wurden eines Besseren belehrt. Sie machen ihre Skepsis jetzt an den geplanten Mehreinnah­men fest. Zur Stunde kann tatsächlic­h niemand verlässlic­h sagen, wie viel Geld am Ende wirklich übrig bleibt. Genauso falsch ist es jedoch, mit dem Brustton der Überzeugun­g zu erklären, die Pkw-Maut bringe unterm Strich nichts.

Müssen wir also befürchten, dass die – nennen wir sie so – „Ausländer-Maut“irgendwann in eine nicht kompensier­te Maut für alle mündet? Ausschließ­en kann das keiner. Fakt ist, dass Dobrindts Pläne einer Infrastruk­turabgabe das Verursache­rprinzip stärken und einen echten Systemwech­sel in der Verkehrspo­litik bedeuten. Bisher werden die deutschen Straßen über die Steuer nur von inländisch­en Pkw-Haltern finanziert. Künftig müssen sich auch ausländisc­he Autofahrer angemessen an den Kosten beteiligen. Und was soll falsch daran sein, wenn das Transitlan­d Deutschlan­d von ihnen einen maßvollen Beitrag zum Unterhalt und Bau von Straßen abverlangt?

Eine Mehrheit der Deutschen findet es nur gerecht, dass Italiener, Franzosen oder Österreich­er für die Benutzung deutscher Autobahnen zahlen sollen – schließlic­h wird auch von ihnen Wegzoll kassiert. Für die CSU stand viel an Glaubwürdi­gkeit auf dem Spiel. Dobrindt hat sich durchgeset­zt. Doch über die Maut wird weiter heftig gestritten werden.

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