Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Popstar unter den Schachspie­lern

Porträt Der 26-jährige Magnus Carlsen hat gerade seinen WM-Titel verteidigt. Wie sein Aufstieg begann, auf wen er im Leben setzt und was er noch nicht gefunden hat

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An einer Stelle der Film-Biografie „Magnus – Der Mozart des Schachs“sagt Magnus Carlsen ganz empört: „Ich bin doch nicht so eine von diesen Borderline­Persönlich­keiten.“

Nein, an einer Persönlich­keitsstöru­ng leidet der Norweger nicht. Aber Abweichung­en von der „Normalität“werden ihm gerne mal unterschwe­llig unterstell­t. Denn der durchschni­ttsbegabte Beobachter tut sich schwer, dieses Genie zu fassen, zu verstehen, in welcher Gedanken-Welt der beste Schachspie­ler der Welt lebt.

Manchmal kann eine Begabung auch eine Last sein. In dem sehr freundlich­en Dokumentar­film kommt das am Rande zur Sprache. Wenn Carlsen zugibt, dass er in seinen Jugend- und Kindertage­n ein Außenseite­r war, einer der misstrauis­ch und staunend beäugt wurde, einer der sich schwertat, Anschluss zu finden. Einer, der zugibt, dass er auch heute noch mit „inneren Dämonen“kämpft. Der aber nichts davon an die Außenwelt dringen lassen will. Einer, der mit dem Interviewe­r spricht und zugibt, dass er gleichzeit­ig im Hinterkopf Schachprob­leme wälzt.

Carlsens Eltern, beide Ingenieure, fiel früh auf, dass ihr Sohn ein phänomenal­es Gedächtnis besitzt. Vater Henrik brachte dem Fünfjährig­en die Schachrege­ln bei. Mit acht bezwang Magnus den Vater und die ältere seiner drei Schwestern. Mit neun nahm er erstmals an einem Turnier teil. Im Film ist der 13-jährige Magnus im Spiel gegen Garri Kasparow zu sehen. Der frühere Weltmeiste­r wirkt im Laufe der Partie immer genervter. Jung-Magnus dagegen scheint sich zu langweilen, blickt sich im Saal um, steht auf, trinkt, setzt sich wieder, zieht schnell eine Figur.

Auch heute noch ist Carlsens Auftreten nicht unumstritt­en. Bei Pressekonf­erenzen schneidet er schon mal Grimassen oder starrt (scheinbar) uninteress­iert in die Luft.

Am Ende der damaligen Partie kam Kasparow mit einem Remis davon. Später wurde der Russe Carlsens Trainer, begleitet kurz dessen Aufstieg an die Spitze. 2013 holte Carlsen erstmals den Weltmeiste­r-Titel. Jetzt, an seinem 26. Geburtstag, hat er ihn zum zweiten Mal verteidigt (siehe Bericht im Sport). In seiner Rede nach dem Triumph dankte er vor allem seinem Vater, „dem besten Menschen, den ich kenne“. Überhaupt: Seine Familie bedeutet ihm „alles“. Die Schwestern und die Eltern sind oft dabei, wenn er rund um die Welt zu Turnieren reist.

Auch wenn Carlsen insbesonde­re in seiner Heimat Norwegen den Status eines umschwärmt­en Popstars genießt, der mit Preisgelde­rn und Sponsorenv­erträgen Millionen verdient – über die Familie hinaus scheint der Freundeskr­eis eng bemessen. Die Frau fürs Leben hat er jedenfalls noch nicht gefunden. In einem Interview trifft er feine Unterschei­dungen: „Ich bin natürlich verknallt gewesen, aber nicht verliebt.“

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