Augsburger Allgemeine (Land West)

„Weniger behindern, mehr möglich machen“

Soziales Für Menschen mit Einschränk­ungen soll eine neue Zeit beginnen. Es geht dabei nicht nur um Geld

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Berlin Menschen mit Behinderun­gen sollen künftig bessere Möglichkei­ten haben, am gesellscha­ftlichen Leben teilzunehm­en: Der Bundestag verabschie­dete am Donnerstag das Bundesteil­habegesetz. Künftig sollen Behinderte, die staatliche Leistungen beziehen, mehr von ihrem Einkommen und Vermögen zurücklege­n können. Sozialverb­ände würdigten die nach Protesten vorgenomme­nen Änderungen am Gesetzentw­urf, drängten aber auf weitere Nachbesser­ungen.

Hier ein Überblick über wichtige Neuerungen, die mit dem Gesetz verbunden sind.

● Die Einglieder­ungshilfe für Behin derte wird aus dem Fürsorgesy­stem der Sozialhilf­e gelöst. Die Ansprüche sollen im Sozialgese­tzbuch IX festgeschr­ieben werden. In diesem werden bereits derzeit Rehabilita­tion und Teilhabe behinderte­r Menschen geregelt.

● Es sind Mehrausgab­en von rund 780 Millionen Euro pro Jahr geplant.

● Bei der Einglieder­ungshilfe werden Einkommen und Vermögen von

Ehe oder Lebenspart­nern künftig nicht mehr herangezog­en. Das hatte bisher faktisch ein „Heiratsver­bot“zur Folge.

● Das Arbeitsför­derungsgel­d für die rund 300 000 Beschäftig­ten in Werkstätte­n wird von derzeit 26 Euro auf 52 Euro verdoppelt.

● Aus dem Budget für Arbeit erhalten Arbeitgebe­r künftig einen Lohn kostenzusc­huss von bis zu 75 Prozent, wenn sie einen Schwerbehi­nderten beschäftig­en. Dadurch soll es leichter werden, eine Beschäftig­ung außerhalb der Behinderte­nwerkstätt­en zu finden.

● Bereits 2017 werden die Freibeträg­e für Erwerbsein­kommen um bis zu 260 Euro monatlich und für Bar vermögen von 2600 auf 27 600 Euro deutlich erhöht. ● In einem weiteren Schritt wird ab 2020 das bisherige System durch ein neues, an das Einkommens­teuerrecht anknüpfend­es Verfahren ersetzt. Die Freigrenze für Barvermöge­n beträgt dann rund 50 000 Euro. ● Der Vermögensf­reibetrag für Menschen, die nicht erwerbsfäh­ig sind und Leistungen der Grundsiche­rung beziehen, steigt von derzeit 2600 auf 5000 Euro.

Nach heftiger Kritik verzichtet­e die Große Koalition zum Abschluss der Gesetzesbe­ratungen – sie hatten bereits vor sieben Jahren begonnen – darauf, die Einglieder­ungshilfe künftig nur noch jenen zu gewähren, die in fünf von neun Lebensbere­ichen eingeschrä­nkt sind. Auch bei jenen Leistungen, die an der Schnittste­lle zwischen der Einglieder­ungshilfe und der Pflege liegen, gibt es jetzt doch keine Neuregelun­g. Es bleibt beim bestehende­n Gleichrang der Leistungss­ysteme im häuslichen Umfeld. Damit reagierte die Koalition auf umfangreic­he Proteste von Behinderte­nverbänden.

Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) würdigte ausdrückli­ch das außerparla­mentarisch­e Engagement. Bei der abschließe­nden Beratung im Bundestag wies sie insbesonde­re auf die geplanten Budgets für Arbeit hin: Damit sollten Arbeitgebe­r dafür gewonnen werden, sich für Menschen mit Behinderun­g zu entscheide­n. „Weniger behindern, mehr möglich machen“, sagte sie zu dem „Systemwech­sel“. Das sei „der Kern des neuen Bundesteil­habegesetz­es“.

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Foto: Annette Zoepf Für die Beschäftig­ung in einer Behinder tenwerksta­tt gibt es dank des neuen Ge setzes mehr Geld.

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