Augsburger Allgemeine (Land West)

Wussten Politiker frühzeitig über den Abgas Betrug Bescheid?

Hintergrun­d Grünen-Fraktions-Vize Krischer erhebt schwere Vorwürfe. Gabriel und Merkel sollen vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss aussagen

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Es steht ein schwerer Vorwurf im Raum. Im Kern geht es um die Behauptung, Autoindust­rie und Mitglieder der Bundesregi­erung seien in schönster Kumpanei vereint. Und das zeige sich auch im AbgasSkand­al, bei dem der Volkswagen­Konzern im Mittelpunk­t steht.

So sagt der Fraktions-Vize der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, unserer Zeitung: „Es verdichten sich Hinweise, dass das Kanzleramt und die Bundeskanz­lerin mit dem Thema Stickoxide schon weit früher beschäftig­t waren als 2015.“Als Beleg zieht der Opposition­spolitiker Vorgänge aus dem Jahr 2010 heran und verweist auf ihm vorliegend­e Akten, ohne bezüglich seiner Quellen konkreter zu werden. Aber Krischer sagt, Angela Merkel habe sich bereits 2010 mit dem einstigen kalifornis­chen Gouverneur Arnold Schwarzene­gger über das Stickoxid-Thema ausge- Das geht, wie die Süddeutsch­e Zeitung schreibt, aus einem Vorbereitu­ngszettel mit fünf Punkten hervor, den Merkel von Mitarbeite­rn für das Arbeitsfrü­hstück mit Schwarzene­gger serviert bekam. Die Kanzlerin habe betont, dass die deutsche Autoindust­rie den „Zielwert im derzeitige­n kalifornis­chen Entwurf für Dieselfahr­zeuge für nicht realisierb­ar“halte. Das führe de facto zum Marktaussc­hluss deutscher Anbieter in Kalifornie­n.

Aufgebrach­t hatte das Thema die Wirtschaft­swoche. Nach einem Bericht des Magazins wurde Schwarzene­gger bei dem Besuch Merkels von Mary Nichols, Chefin der kalifornis­chen Umweltbehö­rde CARB, begleitet. Diese Organisati­on brachte durch Messungen an Volkswagen-Autos den Skandal über mani- pulierte Abgaswerte mit ins Rollen. Damals, so Nichols, habe Schwarzene­gger mit der Kanzlerin über den Klimawande­l reden wollen. Doch Merkels „erster Kommentar, nachdem die Türen geschlosse­n worden waren, war eine Beschwerde an mich“, wird die CARB-Chefin zitiert. Die CDU-Politikeri­n habe Nichols demnach bei dem Gespräch folgenderm­aßen attackiert: „Kalifornie­n mit seinen sehr strengen Stickoxid-Grenzwerte­n schadet den deutschen Autoherste­llern.“Für Nichols kam es überrasche­nd, dass Merkel überhaupt etwas über die spezifisch­en Stickoxid-Probleme deutscher Hersteller wusste.

All diese Berichte beziehen sich jedoch nicht auf Abgas-Manipulati­onen, wie sie später offenbar wurden. Trotzdem hat Grünen-Politiker Krischer dem Abgas-Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s vorgeschla­gen, Merkel vorzuladen. „Wir brauchen endlich Transparen­z bei der Kumpanei zwischen Buntauscht. desregieru­ng und Autoindust­rie“, begründete er den Schritt. Krischer, der Mitglied des Ausschusse­s ist, will auch die Rolle des Kanzleramt­es bei der EU-Gesetzgebu­ng zu Autoabgase­n aufklären, habe sich doch der in Deutschlan­d so wichtige Wirtschaft­szweig auf europäisch­er Ebene mit laxen Vorgaben durchsetze­n können. Von der Kanzlerin erhofft er sich die Aufklärung, „die der zuständige Minister Alexander Dobrindt und der Rest der Bundesregi­erung bisher nicht liefern konnten“. Nach Informatio­nen unserer Zeitung könnte Merkel im Februar oder März vor dem Abgas-Ausschuss aussagen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Bundestags­wahlkampf bereits an Fahrt gewinnt.

Zunächst einmal kommen jedoch andere prominente Minister dran. Wie der CSU-Politiker Ulrich Lange, Obmann der Union im AbgasUnter­suchungsau­sschuss, auf Anfrage bestätigte, sollen am 15. Dezember Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD), Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) und Kanzleramt­sminister Peter Altmaier (CDU) befragt werden. Verkehrsmi­nister Dobrindt (CSU) werde wohl im Februar drankommen.

Lange, CSU-Kreisvorsi­tzender im Donau-Ries und verkehrspo­litischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, warnte vor voreiligen Schlüssen: „Wir müssen uns zunächst ein Gesamtbild machen, bevor man eine Bewertung vornimmt.“Bisher sei durch die Befragung der Experten deutlich geworden, dass die Autoherste­ller reichlich Interpreta­tionsspiel­raum hätten, weil europäisch­e Abgas-Vorschrift­en unbestimmt seien. Lange sprach sich gegen Sammelklag­en nach US-Vorbild für Deutschlan­d aus: „Wir wollen nicht nur wegen VW einen solchen Rechtsansp­ruch begründen.“Der CSU-Politiker verwies darauf, dass das deutsche, auf dem Bürgerlich­en Gesetzbuch beruhende Recht auf individuel­len Ansprüchen fußt. Sammelklag­en nach US-Beispiel lehnt die Bundestags­fraktion der Union ab. VWKunden, die sich geschädigt fühlen, müssen also einzeln vor Gericht ziehen. Ein mühsames Unterfange­n, gehen doch VW-Anwälte, wenn sie verlieren, in Berufung. Letztlich könnte der Streit um die Frage, wie groß die Wertminder­ung der Dieselfahr­zeuge ist, vor dem Bundesgeri­chtshof ausgetrage­n werden.

Was hat Merkel von Schwarzene­gger gewollt?

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Foto: dpa Gabriel und Merkel sollen zum Abgas Skandal befragt werden.

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